Forschung voranbringen – Tierversuche verringern

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft per WebEx zur Verleihung des Tierschutzforschungspreis zum Thema: Alternativmethoden zu Tierversuchen

Es gilt das gesprochene Wort!

ANREDE

Ein herzliches Willkommen auch von mir!

Mit dem Tierschutzforschungspreis zeichnet unser Ministerium jedes Jahr herausragende Leistungen im Bereich der Erforschung von Alternativmethoden für Tierversuche. Sie wissen, es ist mir ein großes Anliegen den Tierschutz voranzutreiben. Dabei ist mir nicht nur der Tierschutz in der Nutztierhaltung wichtig. Sondern auch Versuchstieren soll der bestmögliche Schutz geboten werden. Es gilt, Tierversuche möglichst schnell durch Alternativmethoden zu ersetzen. Und die Anzahl verwendeter Versuchstiere weitestgehend zu reduzieren.

Für weiterhin nicht ersetzbare Tierversuche müssen klare Regeln gelten:

  • die Belastung der Tiere muss vermindert
  • und ihre Haltungsbedingungen verbessert

Ziel ist es, das sogenannte 3R-Prinzip:

  • Vermeidung (Replace)
  • Verminderung (Reduce)
  • Verbesserung (Refine)

in möglichst allen Versuchsbereichen voranzutreiben.

Die Verleihung des Tierschutzforschungspreises ist ein wichtiger Beitrag. Wir wollen damit die Sichtbarkeit der entwickelten Methoden erhöhen. Denn es ist wichtig, dass Weiterentwicklungen in der Alternativmethodenforschung von der Wissenschaftsgemeinschaft und der Wirtschaft wahrgenommen und aufgegriffen. Aber auch in der medialen Öffentlichkeit.

Aktuelle Herausforderungen und Chancen in der Forschung zu SARSCoV-2 und Covid-19

Die Corona-Pandemie hat eine enorme Dynamik in der Forschung an neuen Medikamenten und Impfstoffen ausgelöst. Das birgt neue Herausforderungen, aber auch Chancen.

Noch ist es nicht möglich, dabei auf Versuchstiere zu verzichten. Sie spielen eine tragende Rolle, um das Virus und die Krankheit besser zu verstehen. Bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten um dem Corona-Virus zu begegnen sind Tierversuche daher derzeit noch dringend erforderlich. Die Menschen erwarten wirksame Medikamente und Heilungsmethoden. Und setzen dabei voraus, dass diese hinsichtlich der Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt ausreichend geprüft worden sind.

Deshalb sind bei der Prüfung entsprechender Substanzen und Produkte Tierversuche vorgeschrieben. Wenn dies nach dem gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse notwendig ist. Arzneimittel wie Antibiotika, Impfstoffe, Narkoseverfahren sowie die meisten der heute angewandten Operationstechniken sind das Ergebnis biomedizinischer Forschung mit Versuchstieren. Ein generelles Verbot könnte daher mit erheblichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie auf den Schutz der Umwelt verbunden sein.

Grundsätzlich gibt es aber auch neue Wege:

Unter den aktuellen Veröffentlichungen ist ein Trend zu Forschungsmethoden zu beobachten, die Tierversuche langfristig ersetzen können. Dabei wird beispielsweise auf menschliche 3D-Organmodelle gesetzt.

Bei der sogenannten „Organ-on-Chip“-Technologie werden in kleinen Hohlräumen menschliche Zellen kultiviert. Vor allem die anfängliche Infektionsphase lässt sich mit Hilfe dieser Organoide besser erforschen und beobachten.

Würdigung der Preisträgerin Frau Dr. Anne-Katrin Rohlfing

Auch die Forschungsarbeit der heute ausgezeichneten Preisträgerin geht einen neuen, einen alternativen Weg. Frau Dr. Rohlfing arbeitet im Bereich der Erforschung von Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall sowie deren Vermeidung und Behandlung. Und verzichtet auf den Einsatz von Versuchstieren.

Frau Dr. Rohlfing, Sie haben im Rahmen ihrer Arbeit am Universitätsklinikum Tübingen eine Alternativmethode zur Herstellung von genetisch veränderbaren Blutplättchen (Thrombozyten) entwickelt. Diese Plättchen sind entscheidend an der Entstehung der genannten Erkrankungen. Aus menschlichen Stammzellen lassen sich unter bestimmten Bedingungen weitere Zelltypen herstellen.

So ist es Ihnen gelungen, menschliche Stammzellen mit Hilfe der CRISPR/Cas-Technologie – besser bekannt unter dem Begriff Genomschere - gezielt zu verändern und daraus Thrombozyten entstehen lassen. Diese Ersatzmethode ist schneller als die herkömmlichen, auf Tierversuchen basierenden Verfahren. Im Vordergrund stehen hier genetisch veränderte Mäuse, die als Modelle für die genannten Krankheiten beim Menschen dienen.

Mit Hilfe des von Ihnen entwickelten Verfahrens können zukünftig wichtige Informationen bereits im Zellkulturverfahren gewonnen werden. Auf diese Weise könnten bis zu 40 Prozent weniger genetisch veränderte Mäuse in diesem Bereich erforderlich sein. Ich hoffe, dass Ihre richtungsweisende Arbeit eine Grundlage für weitere intensive Aufklärung im Bereich der Thrombose und Entzündung

Herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg auf Ihrem weiteren Forschungsweg!

Schluss

Anrede,

Tierversuche in der biomedizinischen Forschung sind nach wie vor unverzichtbar. Genauso unverzichtbar ist die Suche nach Alternativmethoden. Eine schwarz-weiß-Debatte ist hier nicht angebracht. Ein generelles Verbot von Tierversuchen, wie es etwa der Justizsenator Berlins vergangene Woche gefordert hat, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend. Bei der Debatte um die Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen dürfen wir nicht vergessen, welchem großen Ziel wir verpflichtet sind:

Unsere Bürgerinnen und Bürger vor Krankheiten zu schützen oder sie zu heilen.

Da ist kein Platz für dogmatische parteipolitische Debatten.

Vielen Dank.

Erschienen am im Format Rede

Ort: WebEx


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