Wir brauchen die vereinten Kräfte der internationalen Gemeinschaft

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner zur Eröffnung der 13. Berliner Agrarministerkonferenz

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Einleitung: Die Zahl der Hungernden wächst

Wenn wir in Europa die Folgen der Corona-Pandemie beziffern, dann beklagen wir die Opfer: Verstorbene und Erkrankte. Wenn wir weltweit die Folgen von Corona beziffern müssen, dann kommt eine weitere dramatische Zahl dazu.

  • Es wird geschätzt, dass die Zahl der Hungernden um 130 Millionen gestiegen ist.
  • Infolge von Corona.
  • Zusätzlich zu den fast 690 Millionen Menschen, die bereits vor Beginn der Pandemie an Hunger litten.

Dass alles bedeutet menschliches Leid, das sich nicht in Zahlen fassen lässt.

Wir müssen gemeinsam handeln. Wir wollen heute, als Teil der internationalen Gemeinschaft, auf dieses Leid aufmerksam machen. Wir wollen Gegenkräfte mobilisieren, um diese Entwicklung zu bremsen. Denn während sich für die Corona-Krise Lösungen abzeichnen, endet der Hunger eben nicht mit dem Ende der Pandemie.

Deshalb müssen wir gemeinsam

  • neue Pandemien verhindern,
  • den Zugang zu Ernährung sicherer machen,
  • den Klimawandel stoppen und uns an seine Herausforderungen anpassen.
  • Und dazu unsere internationalen Netzwerke noch enger knüpfen.

Wir haben unsere Vorschläge dazu in einem Kommuniqué gebündelt, das sehr ambitioniert ist. Es zeigt: Es gibt keine einfache Lösung. Keinen Masterplan, der sich aus dem Ärmel schütteln lässt.

Sondern: Wir brauchen die vereinten Kräfte der internationalen Gemeinschaft.

Ich will drei zentrale Punkte nennen, bei denen auch durch die Corona-Pandemie noch sichtbarer geworden ist, dass wir gemeinsam handeln müssen.

Erstens: Wildtiergesundheit

70 Prozent der in den vergangenen 30 Jahren beim Menschen neu aufgetretenen Infektionserreger stammen von Tieren. Es deutet alles darauf hin, dass die Corona-Pandemie ihren Ursprung dort hat, wo Wildtiere auf Menschen treffen. Genauso wie andere Zoonosen, wie Ebola. Oder wie die Tollwut, an der jedes Jahr 70.000 Menschen sterben. Die Bekämpfung von Zoonosen muss deshalb zu einem Thema mit absoluter Priorität werden.

Wir müssen dazu investieren:

  • In mehr Ursachenforschung,
  • in funktionierende Frühwarnsysteme,
  • in ein besseres Gesundheitsmanagement bei Wildtieren,
  • in eine Stärkung des Veterinärwesens vor Ort,
  • in mehr Aufklärung der Bevölkerung darüber, welche Gefahren hier drohen.

Und nicht zuletzt müssen wir die internationale Zusammenarbeit stärken. Der One-Health-Ansatz muss weiter gestärkt werden. Deutschland steht bereit, dafür Verantwortung zu übernehmen. Wir haben bereits in unserer führenden Forschungseinrichtung, dem Friedrich-Loeffler-Institut, ein eigenes Institut eingerichtet. Damit soll Wissen geteilt und die Grundlagenforschung unterstützt werden.

Zweitens: Lebensmittel verfügbar halten

Funktionierende, resiliente Versorgungsketten, offene Märkte – ohne sie können wir die Versorgung der Menschen weltweit nicht sicherstellen.

Eine Zahl, die das verdeutlicht:

Allein 40 Länder der Welt verfügen nicht über die notwendige Agrarfläche, um ihre eigene Bevölkerung ausreichend zu ernähren. Sie sind abhängig von Importen. Exportbeschränkungen treiben die Preise und bedrohen ihre Ernährung! Wir dürfen sie nicht leichtfertig einsetzen. In der WTO gibt es die Initiative hierzu Regelung zu treffen. Und wir brauchen darüber hinaus stärkere Mechanismen, um Preisschwankungen zu verhindern.

Ein Mittel dazu ist auch bessere Transparenz. Das Agrarinformationssystem AMIS leistet hier gute Arbeit. Außerdem müssen wir die Mobilität von Arbeitskräften sicherstellen:

Es muss trotz Covid-19 weiter angebaut, geerntet und verkauft werden können.

Und Drittens: Der Klimawandel

Die Risiken der Pandemie für die Sicherung der Ernährung werden verstärkt und überlagert vom Klimawandel.

Extreme Wetterereignisse wie Dürren, Stürme und Überschwemmungen werden durch den Klimawandel befördert. Sie führen zu beträchtlichen Ernteverlusten und Ertragseinbußen und bedrohen die Existenz unserer Landwirte. Eine emissionsfreie Landwirtschaft wird nicht möglich sein.

Aber die Potenziale für einen Beitrag des Sektors zur Minderung der Emissionen und zur Bindung von Kohlenstoff müssen besser ausgeschöpft werden. Neben dem Wald kann nur die Landwirtschaft auf natürliche Weise Kohlenstoff binden. Dazu muss Landwirtschaft als wichtiger Teil der Lösung noch stärker anerkannt werden.

Daher sollte die internationale Klimakonferenz COP 26 einen wegweisenden Beschluss fassen, die Landwirtschaft auch in Zukunft angemessen und zielgerichtet in die internationalen Klimaverhandlungen einzubeziehen.

Und Landwirtschaft braucht Unterstützung:

  • Um Böden zu schützen, die Kohlenstoffbindung in Böden zu verbessern, Nährstoffe effizienter zu nutzen, die Biologische Vielfalt zu bewahren.
  • Aber auch dafür, gleichzeitig trotz des Klimawandels weiter Lebensmittel zu produzieren.

Auch hier eine Zahl: So wird beispielsweise erwartet, dass in Folge des Klimawandels in Afrika die Produktivität bei der Erzeugung von Grundnahrungsmitteln wie Mais und Getreide um bis zu 17 Prozent sinkt. Wir müssen also bei allen Herausforderungen neue Wege gehen – und die alten Wege effizienter machen.

Beispiele für gute Strategien gibt es:

  • Wir brauchen standortangepasste Konzepte. Eines davon kann die Stärkung der Agroforstwirtschaft sein. Also die Kombination von Gehölzen mit Ackerkulturen oder Wiesen und Weiden. Ein wesentlicher Vorteil von Agroforstsystemen ist, dass sie Trockenperioden besser überstehen, Böden vor Erosion schützen und Kohlenstoff speichern sowie die Bodenqualität nachhaltig steigern.
  • Wir müssen Lebensmittelverluste und Verschwendung stärker vermeiden. In vielen Teilen verdirbt bis zur Hälfe aller Lebensmittel auf den Transportwegen.
  • Wir brauchen die Züchtung, auch neue und moderne Züchtungstechniken.
  • Und nicht zuletzt: Wir brauchen Investitionen in Digitalisierung. Gute Ansätze bietet uns die Koronivia Joint Work on Agriculture, das die Weltklimakonferenz bei der COP 23 in Bonn unter der Klimarahmenkonvention beschlossen hat. Wir hoffen, dass diese guten Ansätze von der Weltgemeinschaft bei der COP 26 in Glasgow zielgerichtet weiterentwickelt werden.

Wir wollen dies mit aller Kraft unterstützen!

Unser Ziel muss sein: die Welt zu ernähren

Wir alle wissen: Es gibt zahlreiche weitere Stellschrauben, an denen wir gemeinsam arbeiten müssen:

  • der Zugang zu Land,
  • eine gesamtheitliche Betrachtung des Ernährungssystems,
  • die Verbesserung der Ernährung.

Vieles haben wir in unserem Kommuniqué aufgenommen, als Arbeitsauftrag an uns selbst.

Mit dem einen zentralen Ziel: Die Welt zu ernähren.

  • Auch unter den Bedingungen des Klimawandels.
  • Auch in Zeiten einer Pandemie.

Wir müssen unsere Anstrengungen in diesen schwierigen Zeiten noch verstärken, um das Ziel der Agenda 2030 „Kein Hunger“ zu erreichen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle nochmals für den Food Systems Summit der Vereinten Nationen 2021 werben. Wir brauchen diesen Diskussionsprozess, um unsere Ernährungssysteme zukunftsfähig auszurichten.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, hat am Welternährungstag gesagt: Lassen Sie uns heute zeigen, dass wir diesen Aufruf ernst nehmen. Dass wir Teil dieser Verpflichtung sein wollen.

Das ist mein Appell heute, an uns und an die Weltgemeinschaft.

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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