Es geht nur gemeinsam: in Europa und weltweit

Rede von Bundesministerin Julia Klöckner zum German Symposium der London School of Economics and Political Science

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Und herzliche Grüße nach London!

Wenn wir über europäische Landwirtschaftspolitik sprechen, dann sprechen wir zunächst über eines: Die Ernährungssicherung für 450 Millionen Verbraucher – eine fast unvorstellbare Zahl. Ähnlich unvorstellbar sind die 10,3 Millionen landwirtschaftlichen Betriebe, die in der EU eine Fläche von 156,7 Millionen Hektar Land bewirtschaften. Allein für die Erzeugung von Lebensmitteln.

Die Landwirtschaft in der EU leistet aber noch mehr. Sie ist zum Beispiel ein wichtiger globaler Erzeuger von Nutzpflanzen. Im Erntejahr 2018 haben die Betriebe der damals noch 27 Mitgliedstaaten 274,3 Millionen Tonnen Getreide produziert. Das sind rund 13 Prozent der weltweiten Produktion. Und die EU ist auch ein bedeutender Exporteur von Milch, Fleisch – von Grundnahrungsmitteln, die anderswo nicht in ausreichendem Maß produziert werden können.

Ich spreche deshalb ungern von Agrarsubventionen. Zumindest nicht dann, wenn darunter eine staatliche Förderung mit nur geringer Gegenleistung verstanden wird. Denn die Landwirtschaft leistet Enormes.

Vor allem hat sie etwas vollbracht, das vor wenigen Jahren kaum denkbar war: Sie hat den einstigen Gegensatz zwischen Umwelt- und Klimaschutz und einer ertragreichen Landwirtschaft aufgelöst.

Jeder Landwirt weiß heute, dass wir mit unseren natürlichen Ressourcen – Böden, Wasser - nachhaltig wirtschaften müssen. Um jetzt und auch in Zukunft die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern.

Aber dieser Wandel der Landwirtschaft ist auch ein Kraftakt, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Und bei dem wir die Landwirtschaft unterstützen müssen – hier in der EU, aber auch weltweit. Vor allem in den weniger entwickelten Ländern. Auch deshalb war die Welternährung das Thema des diesjährigen Global Forums for Food and Agriculture – dem GFFA.

In dem Abschlusskommuniqué haben wir uns gemeinsam mit Agrarministern aus 76 Nationen auf zentrale Punkte geeinigt:

  • Wir haben erneut das Recht auf angemessene Nahrung unterstrichen
  • Und auf Gewährleistung von gesunder Ernährung und Ernährungssicherheit.

Und wir haben uns erneut zu den Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 bekannt.

Uns ist klar: Mit nationalen Alleingängen können wir weder dem Klimawandel noch dem Welthunger begegnen.

Beide Probleme werden wir nur in den Griff bekommen,

  • Wenn wir die Schlüsselrolle der Landwirtschaft anerkennen
  • und wenn wir über Ländergrenzen hinaus kooperieren.

Agrarförderung in Deutschland und Europa und deren Rolle für die Nachhaltigkeit

Wie Sie wissen, wird die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) immer für 7 Jahre beschlossen. Wir stehen jetzt am Beginn einer neuen Europäischen Agrarpolitik. Die wir während unserer deutschen Ratspräsidentschaft maßgeblich verhandelt haben.

Damit die GAP noch stärker beiden Zielen dient:

  • der Ernährungssicherung ebenso
  • wie der Nachhaltigkeit und dem Klima- und Umweltschutz.

Mit der Reform der GAP führen wir in allen Mitgliedstaaten neue und verpflichtende Standards ein. Wir leiten einen Systemwechsel ein.

Mit der neuen Maßgabe: Es gibt keine Leistung ohne Gegenleistung. Für jeden Euro, der als Förderung aus Brüssel gezahlt wird, sind gewisse Klima- und Umweltschutzstandards verpflichtend.

Das heißt: in allen europäischen Mitgliedstaaten werden 100 Prozent der so genannten Direktzahlungen an höhere Umwelt- und Klimaauflagen gekoppelt.

Darüber hinaus knüpfen wir mindestens 20 Prozent der Direktzahlungen an noch höhere Klima- und Umweltauflagen. Um Geld aus diesen 20 Prozent zu erhalten, müssen die Landwirte zusätzliche Öko-Regelungen umsetzen. Die Direktzahlungen spielen aber weiterhin eine wichtige Rolle, denn sie schaffen Planungssicherheit für die Landwirte in der EU und sichern ihr Einkommen. Aber im Vordergrund der Förderung steht künftig nicht mehr der Besitz von Fläche, sondern die Bewirtschaftungsform. Und wer hier Kriterien nicht erfüllt, bekommt Geld gestrichen oder erst gar nicht ausbezahlt.

Mit dieser Einigung verbinden wir in der EU künftig den Umwelt- und Klimaschutz mit der Ernährungssicherung. Umwelt- und Klimaschutz ist auch der britischen Regierung wichtig. Ich habe erst in der vergangenen Woche mit dem britischen Minister für Umwelt, Ernährung und Landwirtschaft – George Eustice – gesprochen. Über den Umwelt- und Klimaschutz, und auch über die UN-Klimakonferenz, die im November in Glasgow stattfinden wird. Wir waren uns sehr einig, dass Umwelt- und Klimaschutz oberste Priorität genießen.

Auswirkungen der europäischen Agrarförderung auf Märkte in afrikanischen Ländern

Der Europäischen Union wird oft vorgeworfen, sie würde die Märkte in den weniger entwickelten Ländern stören. Und mit europäischen Subventionen durch billige Exporte Armut und Ernährungsunsicherheit in Entwicklungsländern fördern. Dieser Vorwurf greift allerdings seit Jahren nicht mehr. Denn die Bundesregierung hat sich nachdrücklich und erfolgreich für eine vollständige Abschaffung von Exporterstattungen eingesetzt. Und seit Juli 2013 werden in der EU keine Agrarexporte mehr subventioniert.

Auf WTO-Ebene wurde die weltweite Abschaffung der Exporterstattungen 2015 beschlossen. Um die Interessen der Entwicklungsländer im internationalen Handel zu berücksichtigen und zu stärken.

Um dies zu schaffen und Armut und Ernährungsunsicherheit nachhaltig zu reduzieren, braucht es mehr. Die lokale Produktion muss in Afrika erhöht werden. Dafür muss die Landwirtschaft auf unserem Nachbarkontinent gestärkt werden.

Engagement des BMEL in afrikanischen Ländern zur Förderung der Landwirtschaft

Afrika ist deshalb ein Schwerpunkt unserer internationalen Arbeit. Wir arbeiten derzeit mit 28 afrikanischen Ländern zusammen. Seit 2010 haben wir rund 120 Millionen Euro für unser Afrika Engagement eingesetzt. Im vergangenen Jahr waren es knapp 20 Millionen Euro.

Die Landwirtschaft ist dort der Schlüssel zur Ernährungssicherung und Motor des wirtschaftlichen Wachstums:

  • Durchschnittlich entfällt auf ihn ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts.
  • Und er beschäftigt durchschnittlich zwei Drittel der Bevölkerung.

Deshalb unterstützen wir unsere afrikanischen Partner dabei, eine standortangepasste, nachhaltige und ökonomisch tragfähige Landwirtschaft zu entwickeln. Dabei ist das oberste Ziel die Sicherung einer ausreichenden und ausgewogenen Ernährung. Weshalb Lebensmittelverluste vermieden werden müssen. Die zum Beispiel entstehen, wenn die Infrastruktur für die Lagerung und Verteilung von Lebensmitteln fehlt.

Gleichzeitig müssen wir unser Klima und unsere natürlichen Ressourcen schützen: unsere Böden, unser Wasser. Sonst entziehen wir der Landwirtschaft ihre eigenen Grundlagen.

Die Resilienz der Landwirtschaft ist ein weiterer wichtiger Punkt. Gerade in der Pandemie ist die strategische Bedeutung der Landwirtschaft nochmal deutlich geworden. Deshalb müssen wir die Landwirtschaft stärken– um auch in künftigen Krisen zu bestehen. Wie erreichen wir das? Mit unseren agrarfachlichen Dialogen vor Ort.

Ein Beispiel: In Äthiopien erhalten politische Entscheidungsträger und Facheinrichtungen gezielte Beratung zu Themen der Agrarpolitik und -wirtschaft.

Wir bieten aber auch Schulungen an, wir helfen mit dem Know-how aus unserem Geschäftsbereich dabei, die Landwirtschaft vor Ort aufzubauen. Wir fördern praxisnahe Forschung zur Boden- und Pflanzengesundheit, zur Biodiversität, zur Tiergenetik. Und zu One Health: ein Thema, das in dieser Zeit zurecht im Fokus steht. Wir müssen die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt immer gemeinsam im Blick haben. Das hat uns Corona gelehrt.

Sie haben Ihr Symposium unter das Motto "New Beginnings" gestellt. Und Ihr Ziel ist es, mit diesem Symposium Neuanfängen in der europäischen Politik den Weg zu bereiten. Ich kann Sie darin nur bestärken.

Denn ganz gleich, mit welchen Herausforderungen unsere Länder konfrontiert sind: die Pandemie, der Klimawandel, der Welthunger. Es sollte uns allen klar sein, dass kein Land diese Probleme allein lösen wird.

Es geht nur gemeinsam: in Europa und weltweit. Auch deshalb wünsche ich mir für die Beziehungen mit Großbritannien viel Kontinuität. Und einen guten Neustart nach dem Brexit!

Ihnen wünsche ich für Ihr Symposium noch viel Erfolg!

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: BMEL Berlin/virtuelle Konferenz


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