Landwirtschaft und Umweltschutz dürfen nicht als Gegenpole verstanden werden

Grußwort von Bundesministerin Julia Klöckner zur digitalen Mitgliederversammlung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG)

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Es sind bewegte Zeiten für die Landwirtschaft. Die Stimmung ist aufgeladen - auf der einen Seite Verbände der Umweltseite. Mit nachvollziehbaren Anliegen zur Nachhaltigkeit. Auf der anderen Seite die landwirtschaftliche Branche, die an die Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit erinnert, genauso nachvollziehbar. Und dazwischen die Verbraucherinnen und Verbraucher, die hohe Erwartungen und Wünsche haben, denen das eigene Portemonnaie oft aber näher ist als die betriebswirtschaftliche Rechnung derer, die die Wünsche umsetzen müssen.

Diese unterschiedlichen Erwartungen und auch Klagen hat es schon immer gegeben, aber die Stimmung wird aufgeheizter. Und dabei gibt es Wege des Konsenses, des Kompromisses, des Ausgleichs.

Für mich liegt die Lösung vieler Zielkonflikte nicht im beschaulichen Zurückblicken in die Vergangenheit, sondern in der gedanklichen Offenheit, der Innovation, der Forschung, der Modernisierung. Zusammen mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel habe ich mich heute Morgen mit der Zukunftskommission Landwirtschaft getroffen. Drei Punkte sind dabei klar geworden:

  • Die Debatten sind intensiv und fachlich anspruchsvoll.
  • Konsens ist immer dann am einfachsten, wenn die Debatte eine gewisse Flughöhe hat, also nicht allzu konkret wird
  • In vielen Bereichen kann es Lösungswege und Konsens geben.

Denn wir müssen gemeinsam zwischen den Anforderungen an eine produktive Landwirtschaft und den Interessen des Umwelt- und Naturschutzes einen Weg finden. Die heutigen, neuen Zahlen zur Emission von Treibhausgasen im Jahr 2020 zeigen, dass gerade die Landwirtschaft auf dem richtigen Weg ist. Die Landwirtschaft hatte an den Gesamtemissionen einen Anteil von knapp neun Prozent: Gegenüber 2019 sind die klimarelevanten Emissionen der Landwirtschaft um 2,2 Prozent auf rund 66 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesunken. Im Vergleich zum Jahr 1990 ist das ein Rückgang von fast 24 Prozent. Das bedeutet, dass die Landwirtschaft ihre Klimaschutzverpflichtungen gemäß Klimaschutzgesetz voll erfüllt.

Landwirtschaft und Umweltschutz dürfen nicht als Gegenpole verstanden werden. Deshalb geht die Arbeit der Kommission jetzt in die entscheidende Phase.

Lieber Herr Präsident Paetow, ich wünsche Ihnen dafür bei Ihrer Kommissionsarbeit viel Erfolg.

Denn es geht darum, heute zu skizzieren,

  • Wie Deutschland auch in 20 Jahren noch ein erfolgreicher Agrarstandort sein kann.
  • Wie wir uns die Landwirtschaft in 15 Jahren zum Beispiel vorstellen.
  • Wie wir in 20 Jahren Ernährungssicherung und sichere Einkommen mit hohen Umwelt-, Natur- und Tierschutzstandards verbinden.

Während wir gleichzeitig über aktuelle Weichenstellungen diskutieren. Und ich würde dabei sogar noch einen Schritt weitergehen: Wir stellen gerade in der Agrarpolitik neue Züge aufs Gleis!

  1. Wir gestalten eine GAP, die mehr Umwelt-, Natur- und Klimaschutz erreichen soll.
  2. Wir beginnen den Umbau der Tierhaltung für mehr Tierwohl und gesellschaftliche Akzeptanz.

Aber bei all dem gilt: Sie, liebe Landwirtinnen und Landwirte, sollen gut von ihrer Arbeit leben können. Wir als Landwirtschaftsministerium sind an Ihrer Seite, wenn es darum geht, die neuen Herausforderungen zu bewältigen. Deshalb investieren wir über eine Milliarde Euro in die Innovationen in der Landwirtschaft.

Für uns müssen Einkommen sowie Tier-, Umwelt- und Naturschutz zusammen gedacht werden.

Die GAP als Triebfeder der Landwirtschaft

Bei der GAP nach 2020 sind wir jetzt auf der Zielgeraden – national und auf europäischer Ebene.

National habe ich unsere konkreten Vorstellungen in der vergangenen Woche vorgestellt. Folgende Details sollen Kernelemente unseres Nationalen Strategieplans werden:

Erstens:

Wir werden Landwirtinnen und Landwirte bis 40 Jahre noch stärker unterstützen. Künftig wird ihnen eine zusätzliche Prämie für bis zu 120 Hektar (bisher 90 Hektar) gewährt. 98 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung.

Zweitens:

Wir wollen kleinere und mittlere Betriebe besser unterstützen. Dazu werden wir die ersten Hektare künftig noch stärker fördern. Statt wie bisher sieben Prozent sollen künftig zehn Prozent der Obergrenze für Direktzahlungen für die Umverteilungsprämie verwendet werden. Das ist ein Plus von 122 Millionen Euro auf dann 452 Millionen Euro jährlich. Gewährt wird diese Summe in zwei Stufen:

  • In Stufe 1 (bis 40 Hektar) soll es einen Zuschlag von rund 62 Euro pro Hektar geben,
  • in Stufe 2 (41 bis 60 Hektar) werden rund 37 Euro zusätzlich gezahlt.

Das führt zwangsläufig zu Verschiebungen, die wir mit Augenmaß und nicht in Schwarz-Weiß-Manier vornehmen.

Drittens:

Der europäisch beschlossene Systemwechsel findet sich natürlich in unserem nationalen Vorschlag wieder. Jeder Euro Fördergeld aus Brüssel soll an Umwelt-, Biodiversitäts- und Klimaauflagen geknüpft sein. Es geht darum, dass Landwirtschaft noch stärker zu mehr Umwelt-, Klima- und Artenschutz und damit zum Erhalt der eigenen Wirtschaftsgrundlage beiträgt.

Entscheidend ist, wie die Fläche bewirtschaftet wird. Der alleinige Besitz von Fläche berechtigt nicht zum Bezug von Direktzahlungen.

Viertens

Wir werden zudem die Landwirtinnen und Landwirte belohnen, die noch mehr für Umwelt und Klima leisten wollen. 20 Prozent der Direktzahlungen sind dafür vorgesehen. Für Deutschland entsprechen diese 20 Prozent insgesamt 900 Millionen Euro jährlich. Um Geld aus diesen 20 Prozent zu erhalten, müssen so genannte Öko-Regelungen umgesetzt werden.

Fünftens:

Veränderungen wird es auch bei der Umschichtung geben. Die Mittel, die aus der 1. in die 2. Säule der GAP umgeschichtet werden, sollen von sechs auf acht Prozent erhöht werden. Das ist ein Plus von knapp 100 Millionen Euro jährlich. Damit stehen den Bundesländern in der 2. Säule aus der Umschichtung insgesamt knapp 400 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung für

  • die Förderung von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen,
  • die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und
  • die Stärkung der ländlichen Räume.

Mit unserem nationalen Strategieplan berücksichtigen wir, dass die landwirtschaftliche Struktur in Deutschland vielfältig ist. Ein Ausspielen Ost gegen Süd, Süd gegen Nord, West gegen Ost gibt es mit mir nicht.

Wir haben als Landwirtschaftsministerium stets die Menschen und ihre Familien im Blick, die in der Landwirtschaft arbeiten. Andere wollen Sie, liebe Landwirtinnen und Landwirte, zu Landschaftsgärtnern und Blühflächen-Bewachern degradieren. Das kann ich nicht akzeptieren!

Unser Strategieplan bringt daher die Einkommens- sowie Ernährungssicherung mit mehr Umwelt- und Klimaschutz zusammen.

Den Umbau der Tierhaltung finanzieren

Ein wichtiges Standbein unserer Landwirtschaft ist die Tierhaltung. Eines, bei dem der Druck besonders groß ist, die Zahlen zeigen das: Während die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe zwischen 2010 und 2020 um rund 12 Prozent zurückging, gab es bei den Betrieben mit Nutztierhaltung einen Rückgang um 22 Prozent.

Und auch die Wertschöpfung dort sinkt stetig. Denn ein immer geringerer Teil dessen, was Verbraucherinnen und Verbraucher für Nahrungsmittel bezahlen, kommt bei den Erzeugerinnen und Erzeugern an. Insgesamt betrug ihr Anteil an den Verkaufserlösen 2019 nur noch rund 22 Prozent. 1980 lag er noch fast doppelt so hoch.

Gleichzeitig steht die Tierhaltung im Mittelpunkt gesellschaftlicher Akzeptanzdebatten. Veränderungen werden eingefordert. Deshalb habe ich ja bereits 2019 das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung eingesetzt.

Die so genannte Borchert-Kommission hat Ideen zum Umbau der Tierhaltung mit verschiedenen Möglichkeiten zur Finanzierung vorgelegt. Unser Ministerium hat nun durch eine unabhängige Machbarkeitsstudie die möglichen Finanzierungsinstrumente bewerten lassen. Folgende Fragen standen dabei im Mittelpunkt der Analyse:

  • Welche Handlungsoptionen bei der Finanzierung und bei der Förderung des Umbaus der Nutztierhaltung sind in Deutschland rechtlich möglich?
  • Und welche scheiden aus rechtlichen oder anderen Gründen aus?

Darauf gibt die Studie im Detail Antwort. Drei konkrete Finanzierungsmodelle werden dabei favorisiert:

  • Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für tierische Produkte von 7 auf 19 Proszent.
  • Einführung einer mengenbezogenen Verbrauchsteuer "Tierwohlabgabe".
  • Einführung einer "Ergänzungsabgabe Tierwohl".

Alle drei Optionen verdeutlichen, dass wir hier über ein milliardenschweres Projekt reden, das eine finanziell tragfähige Grundlage braucht. Denn wir sehen weiterhin, dass höhere Kosten für mehr Tierwohl kaum über den Markt zu refinanzieren sind.

Leider verhalten sich die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Ladenkasse nicht immer so, wie sie es in Umfragen betonen.

Ohne eine aktive Förderung wird der Umbau unserer Tierhaltung also nicht funktionieren. Der Umbau unserer Tierhaltung wird zudem nur als gesamtgesellschaftlicher Prozess mit parteiübergreifend erzielten Ergebnissen erfolgreich sein können.

Dieses Thema ist zu wichtig, um Einzelinteressen nachzugehen. Es darf auch nicht zur politischen Profilierung dienen. Wir brauchen jetzt umgehend konkrete Lösungswege, die unseren Landwirtinnen und Landwirten Planbarkeit und Verlässlichkeit bieten.

Ich werde den Dialog dazu jetzt starten, mit der Landwirtschaft und der Gesellschaft, mit Umweltverbänden, Verbraucherinnen und Verbrauchern und Medien. Und an Sie gerichtet sage ich: Machen Sie mit. Bringen Sie sich in die Diskussion ein.

Ich will die Tierhaltung, die Landwirtschaft in Deutschland mit Ihnen zusammen zukunftsfähig machen.

Moderne Technologien schützen Insekten, erhalten die Artenvielfalt und verbessern die Qualität von Luft, Wasser und Böden. Deshalb fördern wir durch unser Investitionsprogramm Landwirtschaft einen Modernisierungs- und Technikschub in der Landwirtschaft. Durch Investitionen in klima- und umweltfreundlichere Maschinen, Geräte und Anlagen.

Über 800 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Beim Programmstart im Januar waren innerhalb von Stunden die Mittel für einige Bereiche vergeben. Das zeigt, Sie wollen in Klima-, Umwelt- und Naturschutz investieren. Deshalb werden wir in Kürze die nächste Förderrunde starten. Wir geben den genauen Starttermin dann rechtzeitig bekannt.

Wir investieren in die moderne, nachhaltige Landwirtschaft. Für eine zuversichtliche Vision unserer Landwirtschaft.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Digital


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