Wie kann die Koexistenz zwischen Wolf und Nutztier funktionieren?
Rede von Bundesministerin Julia Klöckner zur Auftaktveranstaltung für das Bundeszentrum Weidetiere und Wolf
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede
Sie haben vielleicht auch vor Kurzem dieses Video gesehen, das in sozialen Netzwerken kursierte. Am helllichten Tage streift ein Wolf durch das niedersächsische Lohne.
Wir wissen alle, welche Emotionen solche Bilder schüren. Genauso, wie es Berichte über von Wölfen gerissene Tiere tun. Und wir wissen auch, wie Stimmung gemacht wird, zu dem Thema. In die eine wie in die andere Richtung. Das wollen und sollten wir uns nicht zu eigen machen. Aber wir dürfen es auch nicht ignorieren. Denn dahinter stehen Unsicherheiten, manchmal Ängste – und viele offene Fragen, auf die wir Antworten brauchen.
Wir eröffnen deshalb heute hier in Eberswalde eine Anlaufstelle zur Entschärfung der Konflikte. Ein Zentrum zur Lösungsfindung. Denn das ist der einzig gangbare Weg.
Die Artenvielfalt ist ein hohes Gut. Zu der Artenvielfalt zählt in unserem Land auch wieder der Wolf. Dieses hohe Gut gilt es zu schützen. Aber genauso wie der Wolf Anspruch auf Schutz hat, so haben es auch unsere Weidetiere. Wir brauchen sie für die Pflege und Erhaltung unserer Kulturlandschaften. Sie erbringen damit wichtige öffentliche Leistungen. Darüber hinaus erfüllt die Weidetierhaltung zunehmend eine weitere Funktion. Sie ist unverzichtbar für eine nachhaltige und von der Gesellschaft akzeptierte Nutztierhaltung.
Ich versichere Ihnen: Wir können in Deutschland beides miteinander vereinbaren und wir müssen es auch: Den Schutz des Wolfs und den Schutz von Weidetieren. Das Bundeszentrum Weidetiere und Wolf wird einen sehr wichtigen Beitrag dazu leisten. Das drückt schon der Name unseres Bundeszentrums aus. Denn bereits im Titel stehen die Weidetiere auf gleicher Stufe mit dem Wolf.
Konflikte entschärfen
Wir haben dafür zu sorgen, dass im ländlichen Raum die Akzeptanz für die Rückkehr des Wolfes nicht schwindet. Der Wolf darf seine Scheu vor Menschen nicht verlieren. Und er darf unsere Weiden nicht als einen reich gedeckten Tisch erleben. Das Bundeszentrum Weidetiere und Wolf wird an diesen Punkten weiterdenken:
- über Präventionsmaßnahmen,
- den Schadensausgleich
- und als Kehrseite der Medaille auch über die Entnahme als eine Maßnahme des Herdenschutzes.
Zu der konkreten Arbeit des Bundeszentrums wird Ihnen Herr Dr. Eiden gleich detaillierter Auskunft geben. Er ist Präsident der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die Träger der Einrichtung ist.
Ich sage Ihnen, was das übergeordnete Ziel sein muss: Konflikte entschärfen, die aus der Rückkehr des Wolfes entstehen. Wir müssen Antworten auf die Frage geben: Wie kann die Koexistenz zwischen Wolf und Nutztier funktionieren? Und um es noch einmal zu verdeutlichen: Es geht nicht um die Frage des ‚Ob?‘, sondern um die Frage des ‚Wie?‘.
- Wir müssen rasch handlungsfähig sein, wir brauchen praktische Ansätze.
- Wir müssen Abläufe optimieren, zum Beispiel nach einem Übergriff.
- Und wir müssen die rechtliche Situation klären.
Vor diesem Hintergrund begrüße ich es außerordentlich, dass wir an einem Praxisleitfaden zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen, das bedeutet Entnahmen, arbeiten. Wir, das heißt: unser Ministerium gemeinsam mit dem Umweltministerium und den Ländern. Es geht dabei um die Umsetzung des im vergangenen Jahr novellierten Bundesnaturschutzgesetzes.
Und nicht zuletzt müssen wir unser Wissen vermehren, unter anderem mithilfe neuer Forschungsprojekte.
Es war eine kluge Entscheidung, das Zentrum, für dessen Einrichtung wir 300.000 Euro bereitstellen, hier in Eberswalde anzusiedeln. Auf diese Weise werden die wissenschaftlichen Kompetenzen des Thünen-Institutes für Waldökosysteme einbezogen – insbesondere zum Herdenschutz. Schon allein die räumliche Nähe zwischen beiden Institutionen wird für eine enge Kooperation sorgen.
Dialog fördern
Eine der zentralen Aufgaben des Bundeszentrums wird es sein, den Dialog zwischen
- Weidetierhalterinnen und -haltern,
- den Verbänden des Naturschutzes
- und der Öffentlichkeit zu fördern.
Das wird gelingen, wenn wir Hand in Hand arbeiten. Kompromisse eingehen – auf allen Seiten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns die Einrichtung unseres länderübergreifenden Zentrums hier einen großen Schritt voranbringt. Und insbesondere die Weidetierhalterinnen und -halter beim Herdenschutz unterstützt.
Vielen Dank!
Ort: Eberswalde