Der Erfolg des Bio-Siegels zeigt, welche Hebelwirkung ein freiwilliges, staatliches Positivkennzeichen erzielen kann.

Rede der Bundesministerin Julia Klöckner zum 20-jährigen Jubiläum des Bio-Siegels

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Das Bio-Siegel wird 20 Jahre alt. Eine erfolgreiche Entwicklung.

Die Einführung war alles andere als einfach. Das können Sie sicher bestätigen, Herr zu Löwenstein, denn Sie sind ein Mann der ersten Stunde. Das Ziel war klar: Ordnung zu bringen in ein Wirrwar aus tatsächlichen oder vermeintlichen Bio-Labeln. Mit einer verbandsneutralen Dachmarke. Die für Verbraucherinnen und Verbraucher leicht erkennbar und unverwechselbar ist. Es wurde intensivst um die Kriterien und den richtigen Weg gerungen. Es wurde aus Verbänden ausgetreten und es wurde propagiert, dass nur ein Pflicht-Siegel Erfolg haben kann. Argumente, die wir aus aktuellen Diskussionen kennen, zum Beispiel beim Tierwohlkennzeichen. Heute wissen wir: Es ist anders gekommen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Das Bio-Siegel hat etwas sehr Wichtiges geschaffen: Es hat die Aktivitäten der damals sehr heterogenen Bio-Branche zu einer schlagkräftigen Gemeinschaft gebündelt. Damit war ein wichtiger Durchbruch gelungen. Das Bio-Siegel nahm auf immer mehr Verpackungen seinen festen Platz ein. Der Einzelhandel wurde aufmerksam: Zunächst machten die großen Supermärkte für Bio Platz im Regal, dann die Discounter. Entscheidend für den Erfolg war sicherlich, das Bio-Siegel mit dem Rechtsrahmen der EU für den ökologischen Landbau zu verknüpfen.

Heute kennen – laut aktueller BMEL-Umfrage – rund 96 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher das sechseckige Siegel. Rund 60 Prozent achten beim Einkauf auf das Bio-Siegel. Und die Siegel-Datenbank listet aktuell fast 93.000 Produkte von über 6.000 Unternehmen, darunter vor allem Lebensmittel, aber auch Zierpflanzen und Saatgut. Darauf werden wir ja gleich noch einmal zu sprechen kommen, liebe Frau Braun von der Share GmbH. Der Erfolg des Bio-Siegels zeigt, welche Hebelwirkung ein freiwilliges, staatliches Positivkennzeichen erzielen kann.

Bio ist im wahrsten Sinne des Wortes zur Marke geworden. Der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken beläuft sich in Deutschland auf rund 14 Milliarden Euro. Das ist der Spitzenplatz in Europa. 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich möchte aber noch einmal zurückblicken. Denn noch etwas ist anders gekommen. Bei der Siegeleinführung vor 20 Jahren war viel die Rede von "Agrarwende", "Abkehr" und "Wegkommen". Stark wurde das Trennende zwischen bio und konventionell betont. Ich glaube, dass das eine ungute und unnötige Konfrontation war. Weil sie die Branche in ein Gegeneinander manövriert hat, in Grabenkämpfe, deren Ausläufer wir immer noch spüren. Weil dieses Gegeneinander an vielen Stellen die Chance genommen hat, voneinander zu lernen. Die Vorteile unterschiedlicher Wirtschaftsformen anzuerkennen. Und so gemeinsam besser zu werden.

Heute hat sich die Argumentation zum Glück weiterentwickelt. Wir spielen die Anbauweisen nicht mehr gegeneinander aus. Landwirtschaft heute und in der Zukunft bedeutet: das Beste aus beiden Herangehensweisen zu nutzen. Entscheidend ist dabei, die drei Nachhaltigkeits-Komponenten ausgewogen zu berücksichtigen: Ökologisch, wirtschaftlich und sozial. Das erst ist wahre Nachhaltigkeit! Wir müssen bio und konventionell zusammen denken! 

Von allen Seiten werden zunehmend zusätzliche Anforderungen an die Landwirtschaft herangetragen. Jüngst erst über den Green-Deal, die Farm-to-Fork-Strategie oder die Biodiversitäts-Strategie der EU-Kommission, der sehr ambitioniert sind. Dabei ist eines klar: Die Landwirtschaft insgesamt muss tierwohlgerechter werden und schonender mit den Ressourcen umgehen, ihren Beitrag zum Schutz des Klimas und der Artenvielfalt leisten. Bio erfüllt schon viele dieser Anforderungen, muss aber produktiver werden. Die Bundesregierung hat das Ziel definiert: Bis 2030 einen Anteil von 20 Prozent im Öko-Landbau. Für dieses Ziel haben wir in der Vergangenheit politisch die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt. Die Wachstumszahlen des Ökolandbaus und der Nachfrage nach Bioprodukten zeigen, dass die Maßnahmen der Bundesregierung wirken! Und wir werden auch in Zukunft den Ausbau des Ökolandbaus tatkräftig unterstützen!

Sich, lieber Herr zu Löwenstein, jetzt als Verlierer der Agrarpolitik darzustellen, wird der Sache nicht gerecht. Hier kommen die Fakten:

  • In der laufenden Förderperiode erhalten die Bio-Betriebe die Direktzahlungen der 1. Säule wie die konventionellen Betriebe. Das sind rund 460 Millionen Euro pro Jahr!
  • Die Bio-Betriebe erhalten zusätzlich ihre Umstellungs-  und Beibehaltungsprämie aus den Mitteln der 2. Säule.

Insgesamt summierten sich diese Zahlungen in den Jahren 2014 bis 2020 rund 1,3 Milliarden Euro. In der neuen Förderperiode bekommen die Länder durch die erhöhte Umschichtung von der 1. in die 2. Säule jetzt noch mehr finanziellen Spielraum, den sie auch für die Förderung des Öko-Landbaus verwenden können. Im Förderzeitraum 2014 - 2020 wurden hierfür rund 2,1 Milliarden Euro bereitgestellt. Hinzu kommen weitere Förderungen: Der Etat der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau (ZöL) wurde 2018 um 10 Millionen Euro und 2021 um 5 Millionen Euro auf insgesamt gut 33 Millionen Euro erhöht. Und darüber hinaus: Wir sehen bei der Außer-Haus-Verpflegung ein großes Wachstumspotenzial und eine wichtige Vorbildfunktion. Deshalb liegt unser Förderfokus auf öffentlichen Einrichtungen wie Kantinen und der Kita- und Schulverpflegung. Außerdem profitiert auch der Ökolandbau von unseren Forschungsprojekten, und von unserer Förderung der Digitalisierung in der Landwirtschaft. Und nicht zu vergessen: Die ab 1. Januar 2022 geltenden neuen EU-Regelungen für die ökologische Lebensmittelwirtschaft sorgen für gute und stabile Rahmenbedingungen, um den Öko-Landbau in Deutschland kontinuierlich auszubauen. Von einer Benachteiligung ökologisch arbeitender Betriebe in der GAP kann nicht die Rede sein!

Ganz im Gegenteil!

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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