Klimaschutz und eine ertragreiche Landwirtschaft sind schon lange kein Gegensatz mehr.

Rede der Bundesministerin Julia Klöckner zur 5. World Food Convention des Tagesspiegels – Digital Edition 2021

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Herzliche Grüße aus dem Landwirtschaftsministerium in Berlin! Sie widmen sich einer Frage, die für mich als Landwirtschaftsministerin die zentrale Frage unserer Zeit ist: Wie können wir zugleich resiliente und nachhaltige Ernährungssysteme gestalten? Denn die Weltbevölkerung wächst. Und schon jetzt hungern 600 Millionen Menschen. Und der Klimawandel bedroht Ernten: Rund ein Drittel der weltweiten Landwirtschaftsflächen könnten schon 2090 nicht mehr für die Agrarproduktion geeignet sein, wenn wir nicht gegensteuern. Die Landwirtschaft muss und kann hier Antworten geben. Denn die Sicherung der Ernährung ist ihre Kernaufgabe und Klimaschutz und eine ertragreiche Landwirtschaft sind schon lange kein Gegensatz mehr. Dieser Gedanke war mir auch bei der Einigung der 27 EU-Agrarminister zur Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik wichtig, die wir unter der deutschen Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr herbeigeführt haben. Und die nun in den kommenden Tagen und Wochen endlich finalisiert werden soll. Es wird höhere verpflichtende Standards im Sinne der Ernährungssicherung, der Nachhaltigkeit und des Klima- und Umweltschutzes in allen Mitgliedstaaten geben. Das sind wichtige Schritte hin zu einer zugleich nachhaltigen und auskömmlichen Landwirtschaft. 

Wir begrüßen grundsätzlich, dass sich die Europäische Kommission mit dem Green Deal dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet hat. Wir unterstützen auch das Ziel, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Düngemitteln und Antibiotika zu reduzieren. Allerdings müssen diese Ziele für die Landwirtschaft auch umsetzbar sein. Denn sie berühren die Kernelemente nachhaltiger Ernährungssysteme. Ganz konkret heißt das: Mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln werden immer noch die Erntemengen gesichert und die Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln gewährleistet. Ich weiß nicht, ob das jedem bewusst ist, aber Pflanzenseuchen und -krankheiten zerstören 40 Prozent der Ernten weltweit. Bereits jetzt belaufen sich die Schäden auf rund 200 Milliarden Euro jährlich. Davon allein in der EU 12 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Deshalb brauchen wir vor allem belastbare Folgenabschätzungen für die einzelnen Vorhaben der Farm-to-Fork-Strategie von der Kommission. Denn alle Beteiligten müssen wissen, wie die formulierten Ziele umgesetzt werden können und welche Kosten damit verbunden sein werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

wie lösen wir jetzt diese Zielkonflikte, etwa zwischen Erntesicherung und Umweltauswirkungen? Ich meine, dass der Weg über Innovationen führen muss. Deshalb begrüße ich sehr, dass die Farm-to-Fork-Strategie neue Züchtungstechniken ausdrücklich nennt. Als ein mögliches Instrument zur Reduzierung der Abhängigkeit von Pflanzenschutzmitteln. Zum Beispiel durch eine Verbesserung der Widerstandsfähigkeit von Pflanzen gegen Krankheiten – aber auch gegen Hitze- und Trockenstress. Diese neuen Methoden haben damit das Potenzial, unsere Ernährungssysteme nachhaltiger zu machen. Deshalb ist es eine gute Nachricht, dass die EU-Kommission in einer aktuellen Studie das Potenzial der neuen Techniken unterstrichen hat. Und dass die Kommission die längst überfällige Modernisierung des Rechtsrahmens jetzt anstößt. Damit wird der Weg frei für eine angemessene, am Vorsorgeprinzip orientierte Nutzung der neuen Züchtungsmethoden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist wichtig, Landwirtschaft so zu gestalten, dass sie ihr Potenzial für mehr Klimaschutz zur vollen Entfaltung bringen kann. Dazu brauchen wir keine pauschalen Lösungsansätze. Sondern wir müssen in der Lage sein, neue Maßnahmen standort- und situationsangepasst national umzusetzen. Für die 27 Landwirtschaftsministerinnen und –minister ist bei der Umsetzung von Farm-to-Fork daher folgendes ganz wesentlich: Dass die Kommission wissenschaftlich basierte Ex-Ante Folgenabschätzungen vorlegt, wenn sie neue Vorgaben umsetzt. Sei es bei der Düngung, dem Pflanzenschutz oder bei der Tierhaltung. Wenn dies gewährleistet ist, können die vorliegenden Strategien einen wichtigen Beitrag leisten. Zum Aufbau und Erhalt nachhaltiger Ernährungssysteme leisten, die wir in Zukunft brauchen.

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Online


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