Die Ostseefischerei wird um einen Strukturwandel nicht umhinkommen.

Rede von Staatssekretärin Beate Kasch auf dem Deutschen Fischereitag

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Vielen Dank für die Einladung.

Ich freue mich, heute hier zu sein. Um Ihnen, dem Deutschen Fischerei-Verband, nachträglich zum 150. Jubiläum zu gratulieren. 150 Jahre, das nenne ich nachhaltig!

Sie mussten Ihre Jubiläumsfeier wegen der Pandemie um ein ganzes Jahr verschieben. Das zeigt auch: Ihr Jubiläum fällt in eine Zeit, die von vielen Herausforderungen geprägt ist.

Sie, sehr geehrter Herr Sander, haben sie schon genannt:

  • Die Pandemie war für uns alle wohl eines der einschneidensten Ereignisse der vergangenen Jahre.
  • Aber: Von weit größerer Tragweite für die Fischerei ist der Brexit. Durch ihn wird die Europäische Union bis 2026 insgesamt 25 Prozent ihrer Fangrechte in den Gewässern des Vereinigten Königreichs und des Nordostatlantiks verlieren.
  • Hinzu kommt der Klimawandel: Die Folgen des Klimawandels werden auch für die Fischerei immer stärker spürbar.

Damit wird sehr deutlich – wir müssen unsere natürlichen Ressourcen besser schützen und nachhaltiger nutzen. Dies ist ein Ziel, das die Europäische Kommission u. a. mit dem Green Deal verfolgt, natürlich auch mit Auswirkungen auf die Fischerei.

Auf See würde man angesichts dieser Rahmenbedingungen von "unruhigem Fahrwasser" sprechen. Dem müssen wir uns stellen und wir werden die Fischerei bei der Bewältigung dieser Herausforderungen nicht alleine lassen.

Fangquoten und runder Tisch

Ich war selbst dabei, als im Oktober in Luxemburg die Fangquoten für die Ostsee für 2022 verhandelt wurden. Sie wissen, dass wir als Bundesministerium den Quotenbeschlüssen sehr bewusst diesmal nicht zugestimmt haben.

Wie schon beim Ostdorsch wird 2022 nun auch die gezielte Fischerei auf den Westdorsch faktisch geschlossen. Bei beiden Beständen wird lediglich eine Beifangquote gelten.

Beim westlichen Hering liegt die jetzige schlechte Bestandssituation nicht an unseren Ostseefischern. Dort haben sich die Fangmengen von 2017 auf 2021 bereits um 94 Prozent verringert. Allerdings wurden im gleichen Zeitraum die Fangquoten im Kattegat und im Skagerrak – in dem dieser Bestand ebenfalls vorkommt – deutlich weniger gekürzt. Die Bestände können sich aber nur erholen, wenn die Fangmengen auch dort drastisch reduziert werden.

Wir wollten deshalb die Quotenfestsetzung für den westlichen Hering in Ost- und Nordsee im Dezemberrat diskutieren. Dafür gab es leider keine Mehrheit. Insofern war unsere Ablehnung zu den Quotenbeschlüssen nur folgerichtig und konsequent.

Ich kann Ihnen versichern, das BMEL fordert eine nachhaltige Befischung im gesamten Verbreitungsgebiet des westlichen Herings. Zum Beispiel während der trilateralen Verhandlungen der EU-Kommission mit dem Vereinigten Königreich und Norwegen für die Nordsee.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Eines ist aber klar, die Ostseefischerei wird um einen Strukturwandel nicht umhinkommen. Und es ist auch klar, dass wir die Fischer dabei nicht allein lassen können.

Ich werde - angesichts der äußerst schwierigen Situation - Anfang Dezember zu einem "Runden Tisch zur Zukunft der Ostseefischerei" einladen. Ziel ist, mit allen Beteiligten und dazu zählt auch der deutsche Fischereiverband Lösungsstrategien und Zukunftsperspektiven zu entwickeln.

Kurzfristig ist nach aktuellem Stand geplant, dass auch im Jahr 2022 erneut die vorübergehende Stilllegung von Fischereifahrzeugen finanziell gefördert wird. Und gemeinsam mit den Bundesländern loten wir die Notwendigkeit weiterer Abwrackmaßnahmen aus.

Und auch das möchte ich nicht unerwähnt lassen: Eine Erhöhung der Schollenquote um 25 Prozent war nur deshalb möglich, weil wir uns nachdrücklich für die Einführung selektiver Fanggeräte eingesetzt haben, mit denen Dorschbeifänge vermieden werden können. D. h. auch technische Innovationen sind Teil der Lösung.

Brexit

Die schwierige Debatte über die Fangquoten steht in direktem Zusammenhang mit dem Brexit. Denn mit dem Brexit wurde die Gesamtarchitektur der internationalen Fischereibeziehungen im Nordostatlantik in Frage gestellt.
Die Folgen können wir derzeit beispielsweise in dem schwelenden Streit über die Fangquoten für Kabeljau in den Gewässern um Spitzbergen beobachten. Es wird deshalb perspektivisch vor allem darum gehen:

  • Für die EU - und damit für die deutsche Flotte - einen stabilen Zugang und Fanganteile zu sichern

und gleichzeitig

  • eine nachhaltige Bewirtschaftung der gemeinsamen Bestände zu garantieren.

Deshalb ist unsere Position: Deutschland sollte beim Kabeljau nicht auf seine historischen Fangrechte verzichten. Gemeinsam mit der EU-Kommission und den weiteren Mitgliedstaaten – Frankreich, Spanien, Portugal und Polen - werden wir diese Position sehr klar vertreten.

Die bilateralen Konsultationen der EU-Kommission mit Norwegen sind für uns im Hinblick auf den traditionellen Quotentausch immer von sehr großer Bedeutung. Aber: Auch diese werden vom Brexit beeinflusst, da Norwegen bisher keinen Zugang zu britischen Gewässern hat.
Unser übergeordnetes Ziel ist, bei beiden Abkommen (mit UK und mit NOR) die Fischerei ab Anfang Januar 2022 fortzusetzen, um Planungssicherheit zu gewährleisten.

Europäischer Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds (EMFAF)

Stichwort Planungssicherheit. Lassen Sie mich einige Worte zum Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds sagen.

Die neue Verordnung für den Fonds ist rückwirkend zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Für die Mittelbereitstellung im Rahmen des Fonds ist die Genehmigung des operationellen Programms durch die Kommission erforderlich. Dieses Programm wird aktuell erarbeitet. Ergebnisse des Runden Tisches können hier noch berücksichtigt werden.

Der neue Fonds berücksichtigt stärker umweltpolitische Zielsetzungen. Auch dies wird sich im operationellen Programm widerspiegeln. Allerdings bleibt die grundsätzliche Ausrichtung des Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds als Strukturfonds erhalten. Der Fonds wird daher insbesondere auch Mittel zur Verfügung stellen, die zur Bewältigung der Krise in der Ostsee erforderlich sind. Und er bietet Finanzmittel für die Entwicklung der Teichwirtschaft.

Green Deal

Nicht nur der Europäische Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds räumt dem Umweltschutz einen größeren Stellenwert ein. So hat die EU-Kommission mit dem Green Deal ambitionierte Ziele im Bereich Umweltschutz formuliert.

Die Biodiversitätsstrategie sieht unter anderem vor, dass 30 Prozent der Meeresfläche unter Schutz gestellt werden, 10 Prozent unter starken Schutz. Wenn die Meere u. a. auch zum Bestandserhalt der Fische stärker geschützt werden müssen, werden wir auch weitere Maßnahmen in Schutzgebieten diskutieren müssen. Das wird mittel- und langfristig auch der Fischerei zu Gute kommen. Denn nur in gesunden Meeren kann sich auch ein gesunder Fischbestand entwickeln.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Fischerei ist ein Sektor, der vom Klimawandel stark betroffen ist. Veränderungen und Rückgang bei wichtigen Fischbeständen ist hierfür Beweis genug. Deshalb sollte die Fischerei den politischen Forderungen für mehr Klimaschutz offen gegenüberstehen.

Dies sollten Sie, die Branche auch als Chance begreifen. Um den notwendigen Strukturwandel hin zu einer noch nachhaltigeren Fischerei aktiv mitzugestalten. Zudem verfügt die Fischerei mit dem Fisch über ein Pfund, mit dem sie stärker wuchern sollte. Denn der Fisch wird gerade im Hinblick auf eine klimagerechte Ernährung immer wichtiger. Er ist nicht nur gesund, sondern hat auch den geringsten ökologischen Fußabdruck bei der Erzeugung tierischer Proteine.

Diese positiven Aspekte sollten Sie noch stärker und selbstbewusster in die Öffentlichkeit tragen. Um als das wahrgenommen zu werden, was Sie sind.

Ein aktiver Teil der Lösung für die Bewältigung der anstehenden gesamtgesellschaftlichen Herausforderung:

  • Der wirtschaftlich tragfähigen Anpassung an den Klimawandel.
  • Der nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln.

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Emden


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