Landwirtschaft ist ein Schlüssel für Ernährungssicherung, Arbeitsplätze und damit Einkommensperspektiven – also Zukunftsperspektiven.

Rede der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Ophelia Nick zur Eröffnung des 8. German-African Agribusiness Forums des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft und der German Agribusiness Alliance

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

ich grüße Sie herzlich aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Auch im Namen unseres Bundesministers Özdemir, der heute leider verhindert ist. Die Schirmherrschaft für diese Veranstaltung hat er mit Freude übernommen. Und ich freue mich sehr, ihn heute hier beim German-African Agribusiness Forum zu vertreten.

Mein Name ist Ophelia Nick, und ich bin seit Dezember des vergangenen Jahres parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Es ist gut, dass wir gleich nach dem vollzogenen Regierungswechsel die Möglichkeit für einen Austausch haben. Eine ganz besondere Ehre ist es mir, Sie, sehr geehrte Frau Dr. Edeme, als Vertreterin der Afrikanischen Union, heute, wenn auch nur digital, kennenzulernen.

Und ich will Ihnen versichern, dass wir die sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Afrikanischen Union und unserem Ministerium fortführen werden. Denn Afrika ist ein wichtiger Partner – für Europa, für Deutschland und nicht zuletzt für unser Haus. Für uns ist Afrika schon seit langem ein Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit. Aus gutem Grund: Die Landwirtschaft ist in vielen afrikanischen Ländern der wichtigste Wirtschaftszweig. Und sie ist ein Schlüssel für Ernährungssicherung, Arbeitsplätze und damit Einkommensperspektiven – also Zukunftsperspektiven.

Wir wissen aber, dass die Bedingungen in weiten Teilen des afrikanischen Kontinents unterschiedlich herausfordernd sind. Madagaskar erlebt aktuell die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Im Südsudan haben die schlimmsten Fluten seit langem die Lebensgrundlagen hunderttausender Menschen zerstört. In Ostafrika droht die schlimmste Hungersnot seit 35 Jahren. Erst Anfang Dezember hat die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) Welternährungsorganisation erneut darauf hingewiesen, dass die Produktion von Lebensmitteln weltweit immer mehr Lebensräume gefährdet. Denn der Verlust der Biodiversität, der Rückgang der Bodenfruchtbarkeit ist auch auf die Landwirtschaft zurückzuführen.

Und trotzdem können nicht alle Menschen ausreichend und ausgewogen ernährt werden. Ganz im Gegenteil: Von 604 Millionen unterernährten Menschen im Jahr 2014 ist die Zahl auf 768 Millionen im Jahr 2020 angestiegen. In Afrika sind etwa 280 Millionen Menschen unterernährt. Wenn sich die Prognosen für Ostafrika bestätigen, wird diese Zahl noch dramatisch steigen.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielschichtig. Kriege und lokale Konflikte verhindern die Bestellung von Feldern. Transportwege fehlen oder Lieferketten sind gestört. Die Produktivität vor Ort ist häufig zu niedrig – gerade kleine Betriebe haben oft nicht die Möglichkeit, in Technik zu investieren. Extremwetter wie Dürre und Überflutungen vernichten Ernten. Die Folgen des Klimawandels werden an Intensität und Häufigkeit zunehmen und die Nahrungsmittelversorgung verschlechtern – vor allem auch im globalen Süden. Und: Für den Großteil der Klimazerstörung sind die Industriestaaten verantwortlich – also wir.

Die Herausforderungen sind also groß. Unser Haus verfolgt in der Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten drei zentrale Ziele, die wir auch in unserem Afrikakonzept vorgestellt haben:

  • Erstens, eine nachhaltige, standortangepasste und klimaresiliente Landwirtschaft.
  • Zweitens, die Verwirklichung des Rechts auf angemessene Nahrung und Ernährungssouveränität für die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent und weltweit. Dies beinhaltet auch eine faire Regelung für den Zugang zu Land für die lokale Bevölkerung, insbesondere Frauen.
  • Und drittens, eine gerechte Teilhabe Afrikas am internationalen Handel.

Was das konkret für unsere Arbeit in den kommenden Jahren bedeutet, möchte ich Ihnen im Folgenden kurz darlegen.

Stichwort nachhaltige Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ist in vielen afrikanischen Staaten nicht nur der wichtigste Wirtschaftszweig, sondern dient vor allem auch der Ernährungssicherung. Das große Entwicklungspotential der Landwirtschaft wird bislang nicht voll ausgeschöpft. Unter anderem liegen mehr als die Hälfte der weltweit noch ungenutzten, aber landwirtschaftlich nutzbaren Flächen in Afrika. Um dieses Potential besser zu nutzen, arbeitet das BMEL im Rahmen seiner bilateralen Kooperationen mit den Partnerländern auf Augenhöhe zusammen, um die Landwirtschaft umzubauen: Zu einer klimaresilienten und zugleich ertragreichen Landwirtschaft. Dabei ist für uns zentral, dass dieser Umbau ressourcenschonend und nachhaltig sein muss. Sprich: er muss die planetaren Grenzen unseres Ökosystems berücksichtigen.

Was heißt das konkret? Ein Beispiel: aufgrund der angewendeten Bewirtschaftungsmethoden kommt es vermehrt zu Nährstoffarmut und Erosionsanfälligkeit. Die immer häufiger auftretenden Extremwetterereignisse wie langandauernde Trockenheiten und Starkregen, verstärken den Verlust von fruchtbaren Böden durch Wind- und Wassererosion. Bei den Projekten des bilateralen Kooperationsprogramms (BKP) des BMEL stehen deshalb folgende Punkte im Vordergrund:

  • die Bodenerhaltung,
  • der Bodenschutz,
  • die Verbesserung des Humusaufbaus,
  • die Integrierung der Kreislaufwirtschaft
  • und der Erhalt der Bodengesundheit.

Nur gesunde Böden können – jetzt und in Zukunft - ausreichend Nahrung produzieren.

Nicht ohne Grund widmet sich das diesjährige Global Forum for Food and Agriculture – GFFA – dem Thema Boden. Denn Boden ist eine knappe und deshalb wertvolle Ressource. Zugleich wollen wir dafür sorgen, dass bei der Modernisierung der Landwirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent bei uns gemachte alte Fehler nicht wiederholt werden. Damit meine ich zum Beispiel die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die in der EU aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht zugelassen sind. Einen Export solcher Pflanzenschutzmittel soll es mit uns zukünftig nicht mehr geben.

Und schließlich – und das passiert ja bereits schon – zielen unsere Kooperationsprojekte auf den Aufbau der lokalen Landwirtschaft – für eine Wertschöpfung vor Ort. Um vor Ort Wohlstand zu schaffen und eine ausreichende, lokale Versorgung mit Lebensmitteln sicherzustellen.

Was mich zu dem zweiten wichtigen Stichwort bringt: der Ernährungssouveränität. Denn eine wichtige Säule für die Verwirklichung des Rechts auf angemessene Nahrung ist die Ernährungssouveränität und das Prinzip der Agrarökologie. Das heißt, dass jedes Land seine eigene Agrarpolitik und Ernährungspolitik gestaltet. Eine wichtige Grundlage sind lokale und nachhaltige Ernährungssysteme. Dazu zählt insbesondere die Unterstützung und Förderung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Ihnen soll die Chance gegeben werden, ökonomisch tragfähig zu produzieren für das eigene Einkommen und um die wachsenden Städte zu versorgen. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern brauchen Zugang zu lokalen und überregionalen Märkten. Damit Lebensmittel soweit möglich und wirtschaftlich sinnvoll dort produziert werden, wo sie auch konsumiert werden.

Die Bedingungen, unter denen Lebensmittel produziert werden, können und müssen deshalb weiter optimiert werden. Wie das gehen kann, zeigt ein Projekt in Äthiopien, das wir als BMEL unterstützen. Neben der Erhaltung und Konservierung pflanzengenetischer Ressourcen soll die Züchtung von Saatgut und dessen Vermehrung in kleinbäuerlichen Kooperativen gefördert werden. Damit soll der Saatgutsektor transformiert und zugleich Produktivität vor Ort unterstützt werden. Diese Steigerung der Produktivität vor Ort ist wichtig. Für nachhaltigen Wohlstand ist aber auch der Zugang zu den Märkten wichtig und die Teilhabe am regionalen und internationalen Handel.

 Womit ich zu meinem dritten Stichwort komme: "Fairer Handel". Denn auch unfaire Handelspraktiken können die Ernährungssicherung beeinträchtigen. Wir produzieren heute weltweit mehr Lebensmittel denn je – aber wir verteilen sie nicht gerecht. Heute geht mehr Obst aus Afrika nach Europa als an südafrikanische Kinder. Gerade die Länder des globalen Südens, gerade die afrikanischen Staaten müssen handelspolitisch Spielraum zum Aufbau ihres Agrarsektors haben. Handel muss fair sein, es darf keine Dumping-Exporte geben.

Ich begrüße deshalb sehr, dass Sie sich in einer eigenen Session mit der Frage nach besseren, nach fairen Preisen für afrikanische Agrarprodukte beschäftigen werden. Denn Handel soll zu mehr Wertschöpfung und mehr Einkommen führen. Dabei liegt ein großes Potential gerade auch im Handel innerhalb Afrikas. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir die Einrichtung einer afrikanischen Freihandelszone.

 Afrika ist unser Partnerkontinent. Wir haben in den vergangenen Jahren bereits viel geleistet und möchten unsere Zusammenarbeit intensivieren. Für unser Afrika-Engagement orientieren wir uns besonders an der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Anknüpfend an die Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung entwickelte das BMEL sein Afrikakonzept, das Ihnen beim GAAF im vergangenem Jahr vorgestellt wurde und das wir weiterentwickeln werden. Ich freue mich, dass auch Herr Staatssekretär Flasbarth aus dem Entwicklungsministerium heute sprechen wird. Dies zeigt, dass Deutschland eine kohärente und ressortabgestimmte Afrika-Politik verfolgt.

Die Richtschnur unserer Zusammenarbeit soll künftig stärker noch als bisher die Agenda 2063 der Afrikanischen Union sein und den nationalen Strategien unserer Partnerländer folgen. Um diese bei der Entwicklung von afrikanischen Lösungen für afrikanische Probleme zu unterstützen. Und natürlich verstehen wir die deutsche Afrika-Politik immer auch als Teil der gesamteuropäischen Strategie.

Lieber Herr Liebing, lieber Herr Nordmann, wir wissen um das Engagement der Privatwirtschaft in Afrika. Ohne das Engagement der Unternehmen in einer Vielzahl der Projekte des BMEL wären diese nicht so erfolgreich. Wir wünschen uns auch weiterhin eine gute Zusammenarbeit!

 Liebe Frau Dr. Edeme, wir wissen: Afrika ist mehr als ein Kontinent. Afrika: das sind 55 zum Teil sehr verschiedene Staaten. Wir möchten zukünftig einen noch differenzierteren Blick auf die Regionen mit ihren Eigenheiten werfen und Sie, die Afrikanische Union bei Ihren Vorhaben unterstützen. Der nächste große Meilenstein wird der Gipfel zwischen der Europäischen Union und Afrikanischen Union im Februar sein. Auch dort wird es darum gehen, eine zukunftsorientierte Allianz mit Afrika aufzubauen. Wir freuen uns, Teil dieser globalen Allianz zu sein!

Für das heutige Forum wünsche ich Ihnen allen nun viel Erfolg. Ich durfte in der Vergangenheit Afrika und spannende, innovative Projekte besuchen. Von Ägypten über Uganda bis Simbabwe habe ich Länder, Menschen und Projekte kennengelernt. Wir können voneinander lernen und Synergien haben.

Ich freue mich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit.

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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