Ich will, dass auch künftig gutes Fleisch aus Deutschland auf den Tisch kommt.

Rede von Bundesminister Cem Özdemir beim Dialogformat von topagrar "Landwirtschaft im Dialog" am 19. Oktober 2022

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, uns intensiv auszutauschen. Mir ist es sehr wichtig, im engen Dialog mit Ihnen, den Praktikerinnen und Praktikern aus der gesamten Wertschöpfungskette zu sein.

Ich bin in den vergangenen Monaten auf zahlreichen Höfen gewesen, habe mit Jung und Alt, mit öko und konventionell gesprochen. Ich habe erlebt, dass Landwirtschaft Leidenschaft und Berufung ist. Bei vielen Bäuerinnen und Bauern ist aber zurzeit eine große Unsicherheit zu erkennen, die Sorge über die Zukunft der eigenen Betriebe ist spürbar. In diesem Zusammenhang sind die steigenden Energiekosten, übrigens für die gesamte Ernährungsbranche, momentan eine immense Herausforderung. Hier darf es nicht zu Strukturbrüchen kommen. Putin darf nicht darüber entscheiden, wer bei uns noch Brötchen backt und wer nicht!

Wir brauchen unsere landwirtschaftlichen Betriebe genauso wie die hoch qualitativen Produkte aus Handwerk und Mittelstand. Wir brauchen unsere Bäckereien, Metzgereien und Brauereien. Sie alle schaffen Wertschöpfung besonders in ländlichen Räumen. Das soll und muss auch so bleiben. Auch dazu dienen die drei Entlastungspakete der Bundesregierung und die Gas- und Strompreisbremse, an der mit Hochdruck gearbeitet wird.

Aus den vielen Gesprächen mit den Bäuerinnen und Bauern habe ich aber auch viel Positives mitgenommen. Es ist eine klare Veränderungsbereitschaft zu sehen und zu hören, wenn sie denn mit einer Planungs- und Investitionssicherheit verbunden werden kann.

Ich war letzte Woche auf dem Ceres-Award im Berliner Zoo-Palast – ich weiß, dass das Ihre Verlags-Konkurrenz aus München ist, aber ich muss sagen: Die Veranstaltung hat mich sehr beeindruckt. Ich habe 30 Landwirtinnen und Landwirte erleben dürfen, die für den Award zur Wahl standen. Es war begeisternd, mit welcher Leidenschaft, mit welchem unternehmerischen Geist und mit welchem Erfolg sie an ihre Arbeit herangehen.

Junge Landwirtinnen und Landwirte, die mit einem guten Betriebsmanagement, mit Tierwohl und einer hohen Qualität, über Direktvermarktung und mit cleveren, neuen Geschäftsideen zeigen, wie es geht und dass es geht. Wir müssen uns noch viel mehr von solchen Vorbildern inspirieren lassen. Und wir müssen noch viel mehr zeigen, was die Branche an zukunftsweisenden Lösungen bereits umsetzt und für Perspektiven bietet.

Mir geht es deshalb darum, Brücken zu bauen und gute Kompromisse zu schmieden, die der vorhandenen Veränderungs- und Gestaltungsbereitschaft auch gerecht werden.

Hier und heute steht jetzt die Zukunft der landwirtschaftlichen Tierhaltung im Mittelpunkt der Diskussion. Lieber Herr Schulze-Steinmann, im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse hätten Sie den heutigen Termin natürlich nicht besser zeitlich planen können. Denn letzte Woche haben wir im Kabinett mit dem Tierhaltungskennzeichengesetz einen wichtigen Schritt zum Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung auf den Weg gebracht. Damit schaffen wir eine Grundlage für eine nachhaltigere Landwirtschaft in Deutschland.

Die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung ist ein wichtiger Schritt, um beim Umbau zu einer zukunftsfesten Tierhaltung voranzukommen, unsere Tierhaltung auf neue, kräftigere Beine zu stellen. Das ist dringend notwendig, denn die deutsche Tierhaltung steckt schon länger in einer Krise.

Landwirtinnen und Landwirte wurden mit Unwägbarkeiten und Unsicherheiten lange allein gelassen. Betriebe mussten entweder wachsen oder weichen. Das hat dazu geführt, dass viele aufgegeben haben oder kurz davorstehen.

Das will ich nicht akzeptieren!

Wenn Betriebe aufhören, ist das ein immenser Schaden für den ländlichen Raum. So ein Hof ist kein Start-up: Wenn ein Betrieb zu ist, macht der nicht wieder auf. Ich will, dass auch künftig gutes Fleisch aus Deutschland auf den Tisch kommt.

Zukunftsfest wird die Tierhaltung, wenn sie dem Tierschutz und dem Klimaschutz gerecht wird, Transparenz beim Einkauf schafft und tierhaltenden Betrieben eine verlässliche Perspektive bietet. Dabei geht es auch darum, weniger Tiere besser zu halten. Nur so schaffen wir eine Tierhaltung, die Teil einer nachhaltigen Landwirtschaft ist, die unsere Lebensgrundlagen schützt und sich an natürlichen Kreisläufen orientiert – denn auch unser Gemüse braucht Tierhaltung (und Dünger).

Wenn das Fleisch aus dem Ausland kommt, haben wir auf all das keinen Einfluss.

Wir setzen jetzt die staatlich verpflichtende und eben nicht nur freiwillige Tierhaltungskennzeichnung tatsächlich um. Mit der Haltungskennzeichnung gibt es für Verbraucherinnen und Verbraucher bald endlich eine echte und verlässliche Wahl für mehr Tierwohl. Es ist die erste Etappe, wir starten mit der Kennzeichnung von Schweinefleisch, geplant sind fünf Haltungsformen.

Und nach und nach werden weitere Tierarten folgen, denn am Ende ist klar: Alle tierischen Produkte deutscher Herkunft sollen an allen Verkaufsstellen transparent gekennzeichnet werden. Damit Verbraucherinnen und Verbraucher mit einem Blick erkennen, wie ein Tier gehalten wurde, dessen Fleisch man kauft. Gleichzeitig macht die Kennzeichnung die Leistung von Landwirtinnen und Landwirten für eine tiergerechtere Tierhaltung sichtbar.

Mit dem Kabinettsbeschluss für die staatlich verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung ist nun der Weg für das parlamentarische Verfahren geebnet. Ich werde im Prozess weiter Tempo machen. Die notwendigen Veränderungen müssen jetzt angegangen und nicht auf die lange Bank geschoben werden.

Ich hoffe, dass wir hier im Sinne der unter Druck stehenden Landwirtinnen und Landwirte schnell vorankommen. Ihre Investitionen und Veränderungsbereitschaft sollten uns dann auch etwas Wert sein. Diese Unterstützung der Landwirtinnen und Landwirte ist im gesellschaftlichen Interesse.

Wir brauchen ihre Veränderungsbereitschaft, um auch künftig unsere Ernährung zu sichern und zugleich unser Klima zu schützen. Ganz im Sinne der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert Kommission.

Wir arbeiten zudem intensiv weiter an unserem Gesamtkonzept zum zukunftsfesten Umbau der Tierhaltung. Ganz wichtig ist, dass wir die Anschubfinanzierung für den Umbau der Tierhaltung gesichert haben. Sie kann nicht nur für Investitionen in den Umbau der Ställe verwendet werden, sondern auch, um die tierhaltenden Betriebe bei laufenden Mehrausgaben zu unterstützen, wenn weniger Tiere besser gehalten werden. Dazu gehören dann auch langfristige Verträge, damit unsere Bäuerinnen und Bauern vernünftig planen können. Darauf haben wir uns jetzt in der Ampel geeinigt.

Damit starten wir jetzt in den Umbau und schaffen echte – auch finanzielle Planungssicherheit. Dazu gehören Veränderungen im Bau- und Genehmigungsrecht, damit klima- und tierfreundliche Ställe schnell genehmigt und unbürokratisch gebaut werden können. Wir wollen zudem bessere Regeln im Tierschutzrecht.

Und eines möchte ich auch noch ansprechen: Mir geht es in unserem Gesamtkonzept nicht nur um die Transparenz bei der Haltung, sondern auch um die Transparenz bei der Herkunft. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wissen, wo das Fleisch auf ihren Tellern herkommt – ob aus Deutschland oder aus dem Ausland. Deshalb unterstützen wir eine europäische Lösung der Herkunftskennzeichnung, die aufzeigt, in welchem Land das Tier aufgezogen wurde. Ich habe die schnelle Umsetzung dieses Vorhabens ganz aktuell in Brüssel wieder angemahnt –verbunden mit der klaren Ankündigung, dass wir hier sonst nationale Regelungen schaffen.

Wenn man als deutsche Bäuerin oder Bauer Gutes schafft und herstellt, dann soll das auf dem Markt auch so kenntlich werden – als ein hochwertiges Produkt mit Klarheit bei Haltung und Herkunft.

Manche wollen ja die schnelle Revolution. Und andere wollen den Stillstand. Ich sage das in aller Klarheit: Ich drehe bei meinen Entscheidungen jedes Korn um und wäge ab. Es geht um gute Lösungen, die Gegenwart und Zukunft besser in Einklang bringen. Einer verantwortungsvollen Politik geht es immer um kluge Kompromisse, damit wir auch wirklich vorankommen, damit es auch wirklich Bestand hat und wir unsere Ziele tatsächlich erreichen. Denn das war doch in den vergangenen Jahren das große Problem. Analysen und Konzepte gab es beileibe genug, aber die Umsetzung hat gefehlt.

Wir halten als Bundesregierung jetzt Wort, wir setzen die versprochenen Veränderungen um, bringen sie auf den Weg. Sie wissen, ich habe hart dafür gekämpft und mir in der Koalition nicht nur Freunde gemacht. Aber meine Überzeugung ist da ganz klar: Unsere landwirtschaftliche Tierhaltung muss zukunftsfest werden, das haben unsere Bäuerinnen und Bauern verdient.

Ich freue mich, wenn Sie mich auf diesem Weg unterstützen.
Vielen Dank.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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