So viel Geld, wie diese Koalition jetzt in eine zukunftsfeste Tierhaltung investiert, hat noch keiner davor investiert.

Rede des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft im Bundesrat am 7. Juli 2023

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Wir haben es heute in der Hand, den Weg für den überfälligen Umbau unserer Tierhaltung freizumachen und dabei wirklich voranzukommen. Eineinhalb Jahre nach ihrem Amtsantritt legt die Bundesregierung konkrete Lösungen vor. Wir haben die verbindliche staatliche Tierhaltungskennzeichnung endlich auf den Weg gebracht. Wir machen damit die Leistungen der tierhaltenden Betriebe für den Tierschutz sichtbar. Und vor allem können Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Land verlässlich erkennen und entscheiden, welches Fleisch aus welcher Haltung sie kaufen, und damit dem Markt eine Richtung geben. Durch diese geöffnete Tür, wie es der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied auf dem Deutschen Bauerntag gesagt hat, mit dieser und mit weiteren Maßnahmen können wir gemeinsam die Tierhaltung zukunfts- und krisenfest machen.

Der Handlungsbedarf – darauf haben hier einige hingewiesen – ist groß. Ich will nur in Erinnerung rufen: Der Handlungsbedarf ist nicht etwa jetzt entstanden, sondern den gibt es schon lange. Nur eine Zahl: Von 2010 bis 2020 ist die Zahl der schweinehaltenden Betriebe in Deutschland von 60.000 auf 32.000 gesunken. Das ist der Strukturbruch, und das ist der Grund, warum wir jetzt endlich etwas machen. Das ist auch der Grund, warum wir es anders machen als unsere Vorgänger, die es ja versucht haben und dreimal daran gescheitert sind. Die eine wollte es, der zweite durfte es nicht, und bei der dritten gab es keine Mehrheit in der eigenen Fraktion. Vergessen wir das nicht! Das ist der Grund, warum wir jetzt endlich loslegen.

Es ist ja auch nicht so, dass irgendjemand die Vorgänger daran gehindert hätte in einer Zeit, als der Bericht der Borchert-Kommission vorgestellt wurde und die Inflationsrate bei 0,5 Prozent lag. Ich habe es nicht verboten. Das ist damals nicht mehrheitsfähig gewesen, das gibt es ja manchmal. Heute machen wir es allerdings unter erschwerten Bedingungen. Wir haben den schrecklichen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Wir haben eine Inflation von ungefähr 7 Prozent. Wir haben entsprechende Lebensmittelpreise. Und trotzdem machen wir es, weil es richtig ist. Darum mein Appell: Bitte entscheiden Sie nicht dagegen, weil vielleicht der falsche Mann von der falschen Partei, der falschen Regierung das Richtige macht, das, was Sie selber doch auch immer wollten und wollen, nur damit es nicht bei den Falschen einzahlt!

Sie rächen sich ja nicht an mir. Sie rächen sich an den Bäuerinnen und Bauern, und das sollten wir wirklich nicht machen. Deshalb meine herzliche Bitte. Wir haben hier eigentlich in gutem Geist vieles vorangebracht. Dafür will ich mich ausdrücklich bedanken. Die Länder, die Koalitionsfraktionen, die landwirtschaftlichen Verbände haben mit ihrer Expertise etwas besser gemacht. Kollege Günther hat darauf hingewiesen, dass Sie sich ja mit Ihren Vorschlägen in vielem wiederfinden, was wir aufgeschrieben haben. Deshalb appelliere ich an Sie, dass Sie der Verordnung zustimmen. Kollegin Hinz hat sich sehr skeptisch geäußert und gesagt, dass es wohl keine Mehrheit geben wird. Trotzdem: Ich bin optimistisch und gebe die Hoffnung auf Vernunft nie auf.

Die Landwirtinnen und Landwirte hoffen auf klare Regeln. Sie brauchen Planungssicherheit. Die sind wir ihnen gemeinsam als Staat schuldig. Das Gesetz ist im unmittelbaren Interesse der Länder, damit Vorgaben eindeutig vollziehbar sind und nicht erst durch Klagen und durch Auslegung durch Gerichte. Darum bitte ich, aber Sie entscheiden das natürlich. Klar ist aber auch – darauf hat Kollege Backhaus zu Recht hingewiesen –: Das ist erst einmal ein Anfang. Es muss weitergehen. Und es wird in diesem Jahr weitergehen: zunächst mit verarbeiteten Produkten, dann mit der Gastronomie und dann Schritt für Schritt mit der Ausweitung auf weitere Nutztierarten, auf weitere Vertriebswege. Auch darin ist sich die Koalition einig. Frau Kollegin Gorißen hat die weitere Finanzierung angesprochen. Auch das ist ja richtig. Es kann keine zwei Meinungen geben, wie es mit der Finanzierung weitergehen wird. Der Fairness halber könnte man aber hinzufügen: So viel Geld, wie diese Koalition jetzt in den Umbau der Tierhaltung, in eine zukunftsfeste Tierhaltung investiert, hat noch keiner davor investiert. Das heißt nicht, dass es reicht. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich rede hier gar nichts schön. Aber manchmal beginnt Politik auch mit der Betrachtung der Wahrheit und der Wirklichkeit.

Zusammenarbeit ist der Schlüssel für gute Veränderungen. Das zeigt unsere gemeinsame erfolgreiche Arbeit. Denken Sie an das Bundesbau- und das Bundesumweltministerium! Gemeinsam haben wir zum Baurecht und Immissionsschutzrecht gute Lösungen gefunden. An der Stelle ein großer Dank an meine Kolleginnen Klara Geywitz und Steffi Lemke, die geholfen haben, dass der Umbau der Ställe unbürokratisch, schnell vorangehen kann! Der Deutsche Bundestag hat die entsprechenden baurechtlichen Erleichterungen zusammen mit der Tierhaltungskennzeichnung beschlossen. Sie stehen ja heute auch mit auf der Tagesordnung, um hier beschlossen zu werden. Damit Tierhaltung und Emissionsminderung Hand in Hand gehen, braucht es nachhaltige Vorgaben im Tier- und Immissionsschutzrecht. Dafür ein herzlicher Dank an die Agrarminister- und an die Umweltministerkonferenz! Das macht immissionsschutzrechtliche Vorgaben jetzt leichter anwendbar. So kann der Um- und Neubau von Ställen mit höheren Tierhaltungsstandards schneller möglich werden. Das zeigt doch, dass wir Demokratinnen und Demokraten, wenn wir wollen, über Parteigrenzen hinweg in der Lage sind, gute Kompromisse für die Zukunft der Landwirtschaft zu schmieden. Auch da noch einmal mein Appell, kurzfristige parteipolitische Interessen zurückzustellen. Wir sind doch auf einem guten Weg.

Die Tierhaltungskennzeichnung hat aber auch – darauf wurde hingewiesen – eine – wie ich sie immer nenne – Zwillingsschwester: Das ist die Herkunftskennzeichnung. Auch diese steht heute zur Abstimmung. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollten nicht nur über die Frage der Haltung informiert werden, sondern auch die Herkunft erkennen können. Gerade die kleinen und mittleren Höfe in Deutschland brauchen eine echte Chance, um am Markt bestehen zu können. Deshalb hat mein Haus einen nationalen Verordnungsentwurf erarbeitet. Darin wird die Herkunftskennzeichnung bei frischem, bei gekühltem und gefrorenem Fleisch von Schwein, Schaf, Ziege, Geflügel auf nicht vorverpacktes Fleisch ausgeweitet. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen auf einen Blick erkennen können, woher das Fleisch stammt, und nicht bei jedem einzelnen Stück nachfragen müssen.

Auch darüber stimmen Sie heute, unter TOP 36, ab. Und auch hier haben wir heute die Chance, uns gemeinsam weiterzuentwickeln. Das heißt allerdings nicht, dass damit europaeinheitliche Regelungen hinfällig sind. Ganz im Gegenteil: Wir brauchen sie dringend. Auch darauf wurde ja schon hingewiesen. Deshalb setze ich mich eigentlich jedes Mal, wenn ich in Brüssel bin, für eine EU-weite Herkunftskennzeichnung ein. Auch da kann man mir gerne helfen! Die Frau Kommissionspräsidentin von der EVP kann dabei noch etwas Unterstützung brauchen.

Die Ampelkoalition verfolgt das Ziel, die landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland krisen- und zukunftsfest zu machen. Daran hängt die Zukunft der Höfe und des ländlichen Raums. Ich weiß, es gibt noch einiges zu tun. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen. Ich hoffe, dass wir in diesem Geist im Arbeitsmodus nach dem Sommer weiterarbeiten und das Vorhaben dann gemeinsam weiterentwickeln.

Herzlichen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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