"Gesunder Wald. Gesunde Menschen"

Rede des Bundeswaldministers Cem Özdemir zur Eröffnung der Deutschen Waldtage am 15. September 2023 in Lohr am Main

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Haben Sie auch eine Uhr, die Ihnen sagt, wie es Ihnen geht? Ob Sie genug geschlafen, ausreichend Schritte gemacht, hinreichend getrunken haben? Ich gebe es zu: Ich bin begeisterter Nutzer dieser Technik. Es gibt nur einen Ort, an dem ich sie nicht benötige: im Wald. Denn da spüre ich die positive Wirkung sofort: Mein Puls verlangsamt sich, mein Atem wird ruhiger und mit jedem Schritt steigt mein Wohlbefinden. Soweit zu meiner anekdotischen Evidenz. Es gibt aber auch belastbare empirische Daten zur Gesundheitswirkung von Wäldern. Ich freue mich sehr, dass wir heute mit Herrn Dr. Türk von der Deutschen Sporthochschule Köln und Frau Dr. Gisela Immich, Lehrstuhlinhaberin für Public Health und Versorgungsforschung an der LMU München, ausgewiesene Experten zu Gast haben.

Ich bin gespannt auf Ihre Beiträge! "Gesunder Wald. Gesunde Menschen", so lautet das Motto der diesjährigen Deutschen Waldtage.

Es ist toll, zu welch‘ erfolgreicher Veranstaltung sich die Deutschen Waldtage entwickelt haben. So erfolgreich, dass sie nun jährlich stattfinden. Bei zahlreichen Aktionen von Forstverwaltungen, Waldbesitzenden, Wald- und Naturschutzverbänden und anderen Waldbegeisterten können interessierte Menschen die Wälder neu entdecken. So haben sich die Waldtage zu "Tagen des offenen Waldes" entwickelt, die Waldakteure und Waldinteressierte zusammenbringen. Wir werden gleich im Anschluss an meine Begrüßung zu einer Aktion im Pfälzerwald, nach Johanniskreuz schalten. Eine Lage, in der mit die besten Eichen Deutschlands stehen. Eichen, die Fassbauer aus der ganzen Welt zu schätzen wissen. Beim nächsten guten Bordeaux werden Sie bestimmt die Pfälzerwald-Note herausschmecken!

Meine Damen und Herren,

ja, Wälder geben uns so viel: Sie versorgen uns mit frischer Luft und sauberem Wasser. Sie binden Kohlenstoff und liefern den klimafreundlichen nachwachsenden Rohstoff Holz. So helfen sie, die Klimakrise zu entschärfen. Und schaffen Arbeit und Einkommen im ländlichen Raum. Nicht zuletzt beheimaten sie eine Vielzahl an Pflanzen- und Tierarten und sind damit ein wichtiger Garant für Biodiversität. Ein Thema, lieber Herr Bürgermeister Dr. Paul, das hier in Lohr am Main als eine von zehn bayerischen Biodiversitätsstädten, eine ganz besondere Bedeutung hat. Doch unsere Wälder sind schwer gezeichnet: Hitze, Schädlinge, Dürren und andere Bedrohungen schwächen die Wälder seit Jahren. Wir alle haben die infernalischen Waldbrände dieses Sommers vor Augen. Kanada hat die verheerendsten Waldbrände in der Geschichte des Landes erlebt.

Wir alle kennen Wälder, die vertrocknet sind, von Stürmen zerstört oder vom Borkenkäfer zerfressen wurden. Wir alle wissen: Wir müssen uns besser um unsere Wälder kümmern. In unserem eigenen Interesse. Wir können nicht nur nehmen, wir müssen auch geben. In Deutschland sind insgesamt 500.000 Hektar Wald deutlich durch die Klimakrise gekennzeichnet. Allerdings mit regionalen Unterschieden: Gerade im Flachland und in tieferen Mittelgebirgslagen sind die Fichtenwälder nahezu verschwunden. Zumindest in höher gelegenen Waldregionen oder in Mischwäldern ist weniger passiert. Dennoch sprechen wir momentan von rund 5 Prozent der Gesamtwaldfläche, die klimagefährdet ist, (11 Millionen Hektar), auf lange Sicht sprechen wir allerdings von bis zu 25 Prozent. Insgesamt sind in Deutschland nach einer Studie des Thünen-Instituts 2,5 Millionen Hektar Wald dringend an die neuen klimatischen Herausforderungen anzupassen.

Wir müssen jetzt handeln. Wir müssen unsere Wälder langfristig auf die Klimakrise einstellen. Wir müssen sie anpassen und die vorhandenen Bestände stabilisieren. Bei der Wiederbewaldung der Schadflächen und beim langfristigen Waldumbau müssen Baumarten gewählt werden, die dem Standort angepasst sind. Jeder stabile Hektar Wald schützt das Klima, bietet Tieren sowie Pflanzen einen Lebensraum und gibt den kommenden Generationen eine Perspektive. Als Bundeswaldminister habe ich Maßnahmen angestoßen, die dort ansetzen, wo sie ihre Wirkung am besten entfalten. Mit dem Wald-Klima-Paket habe ich im November 2022 eine langfristige Förderung von 900 Millionen Euro eingeführt, mit der Waldbesitzende in den kommenden vier Jahren für zusätzliche Klimaschutz- und Biodiversitätsleistungen unterstützt werden. Denn es sind die Waldbesitzenden, lieber Herr Professor Bitter, die eine zentrale Rolle bei der Anpassung der Wälder an die Klimakrise spielen. Sie sorgen dafür, dass die Wälder auch in Zukunft ihre wertvollen Leistungen für Mensch, Natur und Klima erbringen können.

Die Fördermaßnahme ist erfolgreich. Sie kommt auf der Fläche an, vom Kleinstwaldbesitzenden bis zum Großprivat- und Kommunalwald sind viele dabei. Ich freue mich gerade über die große Beteiligung der Kommunen am Programm. Lieber Herr Dr. Paul, der Stadtwald Lohr ist ja auch mit dabei! Die Förderung eines klimaangepassten Waldmanagements und Investitionen in Waldumbau und Wiederbewaldung müssen Hand in Hand gehen. Und vor allen Dingen: Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Deswegen passen wir das Bundeswaldgesetz den neuen Herausforderungen an. Zentral bei der Novellierung ist der Erhalt des Waldes und seiner Schutzgüter sowie seine Ökosystemleistungen für die nachfolgenden Generationen zu sichern.

Das novellierte Bundeswaldgesetz soll auch die Grundlage für einen konsequenten Waldumbau hin zu klimaresilienten und naturnahen Mischwäldern liefern. Dabei ist mir wichtig, die verschiedenen Perspektiven der Beteiligten zu berücksichtigen und eine ausbalancierte Regelung zu finden. Eine Regelung, die den Herausforderungen der Klima- und der Biodiversitätskrise gerecht wird – und die zugleich die Belange der Waldbesitzenden und der Wertschöpfungskette berücksichtigt. Und das ist keine Quadratur des Kreises. Uns eint das Ziel die Wälder zu erhalten und sie nachhaltig und naturschonend zu nutzen. Solange wir uns diesem Ziel verpflichtet fühlen, ist alles möglich: Dann schließen sich Klimaschutz, Biodiversität und Nutzung nicht aus, sondern können einander bedingen.

Diese Bündelung der Kräfte ist auch die Grundlage für unsere Waldstrategie. Für unseren "Zukunftsdialog Wald" hatten wir deswegen 50 Verbände und Organisationen aus den Bereichen Waldwirtschaft und Jagd, Umwelt und Naturschutz, Holzwirtschaft sowie Erholung, Sport und Gesundheit zu enem gemeinsamen Austausch eingeladen. Die Ergebnisse wurden im Mai dieses Jahres beim Waldkongress vorgestellt und sollen nun zur Entwicklung unserer neuen Waldstrategie dienen. So funktioniert Demokratie! Abschließend möchte ich noch eine Frage ansprechen, die wie ich weiß viele Waldbesitzende und auch die Länder derzeit umtreibt: Wie geht es mit der Finanzierung des Waldumbaus und Wiederbewaldung über die GAK weiter? Nehmen Sie bitte mit: Wir sind auf einem guten Weg und letzte Woche ein ganzes Stück zur Erreichung dieses Ziels vorangekommen!

Anrede,

Die diesjährigen Waldtage erinnern uns: Gesunde Wälder zu erhalten und zu schaffen, ist nicht nur für Klimaschutz, Biodiversität und Ressourcenerhaltung von Bedeutung. Sie sind auch für uns Menschen wichtig. Denn wir brauchen sie, um selbst gesund zu bleiben. Und das nicht erst seitdem das Waldbaden in Mode gekommen ist. Die Älteren unter uns erinnern sich bestimmt an "Trimmi", das Maskottchen der "Trimm-Dich-Bewegung", der wir bis heute tolle Waldparcours zu verdanken haben. Habe ich geliebt als Kind! Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir und auch unsere Kinder und Enkelkinder die Wälder genießen und in ihnen Kraft tanken können.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen frohe Stunden im Wald und erfolgreiche Waldtage.

Herzlichen Dank.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Lohr am Main


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