Die Zukunft der Wälder ist kein Schicksal, wir haben sie selbst in der Hand!

Rede des Bundeswaldministers auf dem Berliner Waldsymposium der AGDW am 18.Oktober 2023

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

viele von Ihnen habe ich zuletzt bei den Deutschen Waldtagen gesehen. Das ist gerade einmal einen Monat her.

Und doch ist in diesen wenigen Wochen so viel geschehen, dass ich auch an dieser Stelle als Mitglied der Bundesregierung nicht einfach darüber hinwegsehen kann, was in Israel passiert und passiert ist. Abermals wurde vor Augen geführt, dass nur eines selbstverständlich ist: dass eben nichts mehr selbstverständlich ist – wenn es das überhaupt jemals war. Denn dass wir die mitunter arg naiven Scheuklappen endlich ablegen müssen, haben wir in den vergangenen Jahren ja nicht nur einmal festgestellt. Es sind unerträgliche Bilder, die uns aus Israel erreicht haben. Bilder, die wir niemals hinnehmen dürfen. Wir stellen uns klar hinter Israels Recht auf Selbstverteidigung. Aber genauso wenig dürfen wir hinnehmen, dass der Terror der Hamas auf unseren Straßen auch noch bejubelt wird. Das Existenzrecht Israels und seine Sicherheit ist für uns Staatsräson. Wer hier lebt, hat das zu respektieren – und zwar egal mit welcher Biographie auch immer!

Es liegt an uns, an Ihnen, an mir, an uns allen. Wir müssen den Wert von Freiheit und Demokratie gegen die Angriffe und Bedrohungen noch aktiver verteidigen – nach innen wie nach außen. Die Gegner der Demokratie spekulieren doch nur darauf, dass liberale Demokratien weich sind und sich gerade angesichts ihrer humanitären Werte nicht zu wehren wissen. Umgekehrt muss es sein: Gerade, weil wir Menschlichkeit und Demokratie hochhalten, müssen wir uns zur Wehr setzen! Wir sollten nie ignorieren, dass gerade in der Toleranz zugleich die Saat einer Selbsttäuschung steckt, wenn wir die Zeichen nicht ernst nehmen. Genau das meinte doch Karl Popper, als er darauf hingewiesen hat, dass uneingeschränkte Toleranz zum Verschwinden der Toleranz führt. Kein Land ist davor gefeit – nur dann, wenn Politik und Zivilgesellschaft immer wieder eine klare, unmissverständliche Grenze ziehen. Darum geht es auch in diesen Zeiten.

Meine Damen und Herren,

wie schaffe ich jetzt zum Übergang zum Wald? Nun, indem ich an die Worte des großen türkischen Lyrikers Nazım Hikmet erinnere. Er hat in der Literatur einen ähnlichen Stellenwert wie sein chilenischer Dichterfreund Pablo Neruda. Mit seine bekanntesten Verse lauten: "Leben wie ein Baum, einzeln und frei, und brüderlich (geschwisterlich) wie ein Wald, das ist unsere Sehnsucht." Die Worte versinnbildlichen, wie wichtig es ist, bei aller Unterschiedlichkeit auf die Kraft und Vielfalt der Gemeinschaft zu setzen, wie es uns unsere Wälder seit Jahrhunderten und Jahrtausenden vorleben – und es unbedingt auch in Zukunft sollen. Deshalb suchen wir gemeinsam Wege für den Schutz und den Erhalt unserer Wälder. Das muss einfach klar sein: Das ist unser gemeinsames Ziel! Bei den Wegen dahin gibt’s natürlich auch mal unterschiedliche Interessen – und dann sind wir eben gefordert, als Demokraten gute Kompromisse zu finden.

Lieber Herr Professor Dr. Bitter,

die AGDW vertritt zwei Millionen Waldbesitzende in Deutschland. Ihr Wort hat Gewicht, Ihre Stimme ist gut vernehmbar. Und das nicht erst seit gestern: Seit 75 Jahren engagiert sich die AGDW für den Wald und setzt sich für die Interessen der Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer in Deutschland ein. Mit dem Waldsymposium haben Sie einen wichtigen Diskussionsraum geschaffen, in dem sich Forstpraxis, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und andere Interessengruppen konstruktiv austauschen können. Ich danke Ihnen und der AGDW sehr, dass Sie sich als "Kümmerer" vor Ort mit großem Engagement, viel Zeit und Herzblut für den Erhalt der Wälder einsetzen. Sie leisten damit einen wertvollen und eben auch nicht selbstverständlichen Dienst für unsere Gesellschaft, für heutige und kommende Generationen.

Meine Damen, meine Herren,

wir brauchen einen Schulterschluss, denn bei der Bewältigung der beiden größten ökologischen Herausforderungen, der Klimakrise und der Biodiversitätskrise, können gesunde Wälder ein entscheidender Faktor sein – ganz sicher ein unverzichtbarer. Gleichzeitig ist der Wald, Sie wissen es alle, selbst von der Klimakrise schwer betroffen.

Seit 2018 haben wir massiv mit Dürre und Hitzestress zu kämpfen. Auch der damit einhergehende Schädlingsbefall hat in den Trockenjahren stark zugenommen. Die aktuelle Waldzustandserhebung unseres Ministeriums hat bestätigt, was wir alle ohnehin befürchteten: Der Zustand der Wälder ist weiterhin kritisch. 4 von 5 Bäumen sind krank. Dürren, Stürme, Schädlinge schwächen ihre Substanz. Sie leiden unter chronischem Klimastress. Wir sprechen zwischenzeitlich von mehr als 500.000 Hektar Wald, die wiederbewaldet werden wollen.

Zur Schadensabwehr wurden über 260 Millionen Kubikmeter Holz geerntet. Der regenreiche Sommer hat mancherorts vielleicht für etwas Entspannung gesorgt, aber bei weitem nicht für Entwarnung. Im Gegenteil: Überschwemmungen, Dürren und Waldbrände rund um den Globus haben uns schmerzlich vor Augen geführt, wie sehr die Klimakrise an Fahrt aufgenommen hat. Wir haben einiges zu verlieren – aber auch einiges zu gewinnen, wenn wir uns entschlossen um die Wälder kümmern. Denn das muss eben auch klar sein: Die Zukunft der Wälder ist kein Schicksal, wir haben sie selbst in der Hand! 

Der entschlossene Umbau hin zu klimastabilen Wäldern ist eine enorme Herausforderung für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer. Wir müssen und werden Waldbesitzende und Forstwirtschaft unterstützen, sich in der Klimakrise zukunftsfähig aufzustellen. Nur so können wir unsere Wälder und ihre wertvollen Ökosystemleistungen erhalten. Unser Ziel ist ganz klar: Wir müssen unsere Wälder weiterentwickeln hin zu artenreichen und klimastabilen Wäldern. Wir müssen sie stark und stabil machen, damit sie uns schützen können.

Wälder sind unsere wichtigen Mitstreiter bei der Bewältigung der Klimakrise. 2,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff sind bereits heute in den deutschen Wäldern gebunden. Jährlich speichern sie rund 41 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ein. Etwa genauso viel setzen alle Nutzfahrzeuge in Deutschland im gleichen Zeitraum frei. Zusätzlich wurden 8,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in Holzprodukten gespeichert.

Und natürlich leisten unsere Wälder noch viel mehr:

  • Sie reinigen Luft und Wasser.
  • Sind Lebensraum für unzählige Pflanzen und Tiere. Und damit ein wichtiger Garant für Artenvielfalt.
  • Auch uns Menschen bieten sie Erholungs- und Rückzugsräume.
  • Sie sorgen für Arbeitsplätze insbesondere auch im ländlichen Raum.
  • Und liefern uns den wertvollen, nachhaltigen Rohstoff Holz.

Und als jemand, der quasi direkt neben und in Wäldern aufgewachsen ist, sollten wir eines nicht vergessen: Für Kinder gehören Wälder mit zu den faszinierendsten Orten überhaupt. Im Gegensatz zu mir wachsen meine Kinder in der Stadt auf – und nicht selten treibt mich dieser Gedanke in Erinnerung an meine Kindheit um.

Meine Damen und Herren,

wir sehen: Es ist in unserem ureigenen Interesse, die Wälder zu schützen und sie an die neuen Herausforderungen anzupassen. Es heißt Klimaschutz, doch eigentlich müsste es Menschenschutz heißen – und Wälder schützen uns und sollen es auch in Zukunft tun. Das bedeutet, auch die Waldbewirtschaftung an die Zukunft anzupassen:

  • Wir werden mit einer geringeren Produktivität der Wälder umgehen müssen.
  • Die Gewichte werden sich vom Nadelholz auf das Laubholz verschieben.
  • Wir fördern Struktur und Mischung für eine verbesserte Stabilität und Biodiversität.
  • Wir müssen dafür sorgen, dass die langfristige Versorgung mit dem Rohstoff Holz insbesondere aus heimischen Wäldern aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung sichergestellt ist.

Vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Klimakrise heißt es aber vor allem, alle Anstrengungen auf den Erhalt der Wälder zu setzen. Deshalb müssen wir die Wälder schützen, indem wir diejenigen unterstützen, die vor Ort für die Wälder Verantwortung übernehmen und sich kümmern. Deshalb unterstützen wir die Waldbesitzenden dabei ihre Wälder klimastabil aufzubauen, damit sie widerstandsfähiger werden gegen Dürre und Hitze.

Zusammen mit den Ländern fördern wir Investitionen in den Umbau von nicht klimatoleranten Wäldern in stabile Laub- und Mischbestände und die Wiederbewaldung von Schadflächen. In den vergangenen drei Jahren wurden dafür jährlich über 200 Millionen Euro von Bund und Ländern über die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) investiert. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Förderung auch 2024 in dieser Größenordnung fortgeführt werden kann. Deshalb haben wir dafür mit dem Bundesumweltministerium und dem Bundesfinanzministerium einen entsprechenden Vorschlag entwickelt. Und so viel kann ich sagen: Es muss natürlich noch durch den Bundestag, aber es sieht sehr gut aus, dass die GAK-Maßnahmen "Waldumbau" und "Wiederbewaldung" ab 2024 aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden können. Darüber hinaus haben wir mit der neuen Fördermaßnahme "Einführung eines Klimaangepassten Waldmanagements" im November 2022 erstmals eine langfristige Förderung eröffnet, mit der zusätzliche Klimaschutz- und Biodiversitätsleistungen finanziert und damit honoriert werden. Bis zum Jahr 2026 sind hierfür 900 Millionen Euro veranschlagt. Das Förderprogramm wird sehr gut angenommen. Bundesweit wurden Förderanträge für rund 1,6 Millionen Hektar gestellt, die beantragte Fläche liegt damit bei 21 Prozent der Privat- und Kommunalwaldfläche.

Konkret bedeutet das auf den geförderten Flächen: Keine Kahlschläge, das Zulassen von Stadien der natürlichen Sukzession oder eine Mindestanzahl von Biotopbäumen und nicht zuletzt für die Betriebe ab 100 Hektar das Zulassen von natürlicher Waldentwicklung auf 5 Prozent der Fläche.

Eine weitere wichtige wald- und damit klimapolitische Maßnahme ist die Holzbauinitiative, die wir, gemeinsam mit dem Bundesbauministerium, auf den Weg gebracht haben. Auch damit setzen wir ein Zeichen, wie bedeutend eine nachhaltige Waldpolitik und eine verantwortungsvolle Ressourcenpolitik Holz sind. Wir wollen die investive Förderung von Waldumbau und Wiederbewaldung für die nächsten Jahre fortsetzen. Die Förderung der Einführung eines klimaangepassten Waldmanagements und von Investitionen in Waldumbau und Wiederbewaldung müssen Hand in Hand gehen – so machen wir unsere Wälder zukunftsfest!

Meine Damen und Herren,

wenn wir die Wälder an die Klimaveränderungen anpassen wollen, dann müssen wir auch die gesetzliche Grundlage hierfür anpassen: Das Bundeswaldgesetz wurde 1975 beschlossen und stammt damit aus einer Zeit, in der es die Klimakrise, wie wir sie heute erleben, noch nicht gab. Auch die gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald haben sich geändert und ebenfalls der Wald selber. Und nicht zuletzt sind in den vergangenen 50 Jahren zahlreiche neue wissenschaftliche Erkenntnisse über den Wald und seine Bewirtschaftung hinzugekommen. Höchste Zeit also für ein Waldgesetz, das die Realität der Klimakrise in den Blick nimmt und den Rechtsrahmen für die Zukunft unserer Wälder schafft. Übergeordnetes Ziel der Novelle ist der Erhalt des Waldes. Ich denke da sind wir uns alle einig.

Dazu wollen wir: den Rahmen setzen für die Entwicklung von klimastabilen Mischwäldern und deren naturnaher Bewirtschaftung, die Umwandlung von Wald in andere Nutzungsarten erschweren und die Wasserrückhaltung in den Wäldern ebenso verbessern wie die Waldbiodiversität und den Waldbodenschutz. In Zeiten der Klimakrise ist es wichtig, auch die Themen Risikovorsorge und -management zu adressieren. Wir wollen auf Basis der Ökosystemleistungen Ziele für die Waldbewirtschaftung formulieren. Damit setzen wir die Basis für Anreize durch Förderungen für die Waldbesitzenden.

Wir wollen auch verbindliche Vorgaben für die Waldbewirtschaftung machen. Wie wichtig diese roten Linien sind, lehren uns die drastischen Auswirkungen der Klimakrise auf die Wälder.

Wichtig ist mir zu betonen: Die Eckpunkte für die Novellierung des Bundeswaldgesetzes sind nicht am grünen Tisch in Berlin entstanden. Bei der Erarbeitung der Eckpunkte war es uns wichtig, die verschiedenen Perspektiven der Beteiligten zu berücksichtigen. Und eine ausbalancierte Regelung zu finden. Länder und Verbände hatten in einer breit angelegten und offenen Konsultation im Sommer 2022 Gelegenheit, Anregungen einzubringen. Von den Verbänden des Waldbesitzes kamen viele gute konkrete Vorschläge zur Novelle. Hierfür herzlichen Dank!

Wir haben einen Referentenentwurf erarbeitet und stimmen ihn zurzeit mit dem Bundesumweltministerium ab. Anschließend folgt die Ressort- und Länderabstimmung, bevor die Verbände gehört werden. Eine Beschlussfassung des Kabinetts streben wir für das erste Quartal des Jahres 2024 an. Anfang 2025 soll die Novelle des Bundeswaldgesetzes Inkrafttreten. Mit den Ländern haben wir einzelne Kernpunkte der Novelle besprochen. Wir werden diesen Austausch im Rahmen der Länderabstimmung intensiv fortsetzen. Sie sehen: Wir sind auf der Zielgeraden.

Bald haben wir eine Regelung, die den Herausforderungen der Klima- und der Biodiversitätskrise gerecht wird – und die zugleich die Belange der Waldbesitzenden, Wertschöpfungskette aber auch der gesamten Gesellschaft berücksichtigt.

Meine Damen und Herren,

Waldschutz endet nicht an Deutschlands Grenzen. Die Wälder sind weltweit ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die Klimakrise und den Verlust der Biodiversität. Die Geschwindigkeit, mit der Entwaldung und Waldschädigung vonstattengehen, ist besorgniserregend: Jedes Jahr werden global 10 Millionen Hektar Wald zerstört! Dies entspricht in etwa der gesamten Waldfläche in Deutschland. Die Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten ist deshalb ein echter Meilenstein im globalen Waldschutz. Mit ihr soll vermieden werden, dass Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihren Einkäufen unwissentlich Entwaldung befördern. Dabei schaffen wir EU-weit einheitliche, verbindliche Regelungen für entwaldungsfreie Lieferketten. Gleichzeitig schützen wir unsere heimische, nachhaltige Forstwirtschaft vor unfairer Konkurrenz: Denn zukünftig wird Holz aus Raubbau keinen Platz mehr im Europäischen Handel haben. Auch bei der Umsetzung der Verordnung achten wir darauf, dass unsere heimische Erzeugung nicht durch vermeidbare Bürokratie unnötig behindert wird.

Für Sie, die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer muss eine erfolgreiche Anwendung der Regelungen möglich sein. Dabei stehen die Effizienz, Effektivität und Rechtsdurchsetzbarkeit der Regelungen im Vordergrund. Deshalb möchte ich Sie ermutigen: Unterstützen Sie die Umsetzung der Verordnung und lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass wir die Ziele der neuen Regelungen erreichen.

Vielen Dank.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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