Die Weltgemeinschaft insgesamt muss nun endlich aufs Tempo drücken, um das Ziel Zero Hunger bis 2030 zu erreichen.

Rede von Bundesminister Cem Özdemir auf dem German-African Agribusiness Forum am 22. Januar 2024 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

ich möchte mit einem Satz von Akinwumi Adesina beginnen, dem Präsidenten der Afrikanischen Entwicklungsbank: "Die Landwirtschaft ist entscheidend für inklusives Wachstum und die Schaffung von Wohlstand in Afrika sowie für die Schaffung von Arbeitsplätzen, insbesondere für Millionen von jungen Menschen und Frauen." Diese verdichtete, aber präzise Aussage bringt auf den Punkt, welches Ziel dieser Kontinent und seine Partner verfolgen. Zugleich steckt darin der mahnende Aufruf, weiter intensiv daran zu arbeiten, die afrikanische Landwirtschaft zukunftssicher zu machen.

Auch wir, die Bundesrepublik Deutschland, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, wollen die Länder Afrikas dabei unterstützen, mehr Ernährungssouveränität zu erreichen. Wir wollen dabei unterstützen, lokale und regionale Produktion und Märkte aufzubauen, den innerafrikanischen und internationalen Handel zu erweitern und zu diversifizieren. Für mein Haus ist die Zusammenarbeit mit Afrika eine der prioritären Aufgaben. Entsprechend freue ich mich sehr, heute beim 10. German-African Agribusiness Forum bei Ihnen zu sein. Und es ist für mein Ministerium eine Ehre, erneut die Schirmherrschaft für diese Veranstaltung zu übernehmen.

Meine Damen, meine Herren,

die Weltgemeinschaft hat sich darauf verständigt, den Hunger weltweit bis zum Jahr 2030 zu beenden. Doch nach wie vor hungern zu viele Menschen auf der Welt – auch in Afrika. Mangel- und Fehlernährung breiten sich durch veränderte Ernährungsgewohnheiten aus. Wir müssen also feststellen: Die Anstrengungen der Vergangenheit haben bisher nicht ausgereicht. Dabei waren sicher nicht alle Wege und Ideen die richtigen. Wir haben dazugelernt und unsere Schlüsse gezogen. Deshalb haben wir mit der Afrikanischen Union eine Zukunftspartnerschaft gestartet – einen agrarpolitischen Dialog, damit wir künftig gemeinsam bessere Wege finden und bessere Ideen entwickeln.

Die Weltgemeinschaft insgesamt muss nun endlich aufs Tempo drücken, um das Ziel Zero Hunger bis 2030 zu erreichen. Einer von vielen dafür notwendigen Beiträgen ist das Abschlusskommuniqué des Global Forum for Food and Agriculture, das vergangenen Samstag mit der Agrarministerkonferenz zu Ende gegangen ist. Unter der Überschrift „Ernährungssysteme der Zukunft: Gemeinsam für eine Welt ohne Hunger“ haben sich 65 Länder und internationale Organisationen darauf verständigt, das Engagement zu intensivieren:

  • Um die Transformation der Lebensmittelsysteme hin zu einer nachhaltigen, lokalen, standortangepassten und widerstandsfähigen Landwirtschaft zu beschleunigen, um das SDG 2 "Null Hunger" und andere Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 zu erreichen.
  • Für agrarökologische Ansätze, ökologischen Landbau, Agroforstsysteme und die Kreislaufwirtschaft, die dazu beitragen sollen, die Klimakrise und den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten.
  • Für einen verantwortungsvolleren Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln.

Im Abschlusskommuniqué des GFFA haben wir auch deshalb vor allem die indigene Bevölkerung und die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, Frauen und Mädchen, junge Menschen in den Blick genommen. Denn weltweit, aber ganz besonders auch in Afrika kommt es gerade auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft an, um die Menschen vor Ort zu ernähren. Die Stimme der Jugend konnten wir aus den Händen von 21 Junglandwirten aus aller Welt in der Young Farmer´s Declaration 2024 entgegennehmen. Sie machen sich große Sorgen um die Zukunft der Landwirtschaft in ihren Ländern, bieten aber auch innovative Lösungen an.

Ich sage ganz offen: Natürlich ist es mit Erklärungen und Abschlusskommuniqués nicht getan. Und es sind auch nicht nur die Landwirtschaftsministerinnen und -minister, die entscheiden und das Blatt zum Guten wenden. Mitentscheidend sind auch die Ideen und Innovationen der Wirtschaft, die Expertise der Wissenschaft und das Engagement der Zivilgesellschaft. Deshalb braucht es breite politische, gesellschaftliche, wissenschaftliche und wirtschaftliche Allianzen, durch die Brücken gebaut werden, auf denen man zueinander findet, sich austauscht und dann gemeinsam den Weg geht, der vor uns liegt. Genau in diesem Geist des Brückenbauens, ist ein wesentlicher Stützpfeiler im letzten Jahr endlich fertig geworden: die Partnerschaft zwischen G20 und der Afrikanischen Union.

Seit dem 1. Januar 2024 ist die Afrikanische Union ein G20-Mitglied. Deutschland hat diese Entscheidung sehr unterstützt. Zu dieser Mitgliedschaft möchte ich Sie herzlich beglückwünschen. Sie ist in unser aller Interesse!

Im Geist eines wahrhaftig konstruktiven Dialogs haben die Afrikanische Union und mein Ministerium im November vergangenen Jahres den Agrarpolitischen Dialog gestartet. Es ist die einzige Kooperation im Agrar- und Ernährungsbereich der Bundesregierung bzw. der Europäischen Union mit der Afrikanischen Union. Dieser Schritt war längst überfällig.

Ich freue mich sehr, dich heute auch hier zu treffen, liebe Josefa, liebe Kommissarin Sacko. Von der ersten Idee bis zur Unterzeichnung der Absichtserklärung hat es nur ein Jahr gedauert. Stand heute haben wir bereits mit einem gemeinsamen Team die Arbeit aufgenommen.

Im Rahmen des Agrarpolitischen Dialoges geht es ganz konkret darum, die vielen verschiedenen Ernährungssysteme, die verschiedenen Arten der Bewirtschaftung resilient und nachhaltig zu gestalten. Das Leitbild der Agrarökologie im Sinn ist es Ziel unserer Zusammenarbeit, die Eigenversorgung der Menschen in Afrika zu steigern und einseitige Importabhängigkeiten zu reduzieren. Es geht auch darum, den Aufbau nachhaltiger und resilienter Wertschöpfungsketten in Afrika und den Handel innerhalb Afrikas zu unterstützen, um die heimische Versorgung mit sicheren und nahrhaften Lebensmitteln zu stärken. Gleichzeitig bieten sich neue Möglichkeiten für den Export, der ebenfalls zur wirtschaftlichen Entwicklung beiträgt.

Mein Ministerium ist zu Gesprächen über die steigendenden Nachhaltigkeitsanforderungen im internationalen Handel bereit. Die Bedürfnisse besonders der kleinen und mittleren Unternehmen müssen hier berücksichtigt werden. Und Afrika ist jung und vielfältig – wir beziehen also Frauen, junge Menschen, aber auch die Älteren, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern als gleichberechtigte Akteure ein. Denn es braucht das Wissen, die Erfahrung und den Einsatz aller, um voran zu kommen. Entsprechend wollen wir uns über praxisorientierte Forschung austauschen und dabei die Aus- und Weiterbildung im Blick behalten. Wir wollen die Ernährungssouveränität afrikanischer Länder gemeinsam stärken, um sie als Gesellschaften resilienter angesichts vielfältiger Krisen und Kriege zu machen.

Das Ziel dabei ist, das Recht auf angemessene Nahrung für jeden Menschen zu erreichen. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat gezeigt, wie groß die Abhängigkeiten auf dem Weltmarkt sind. Aber nicht nur der Ukraine-Krieg, sondern auch die Lebenssituationen vieler Menschen in Afrika haben bereits vor diesem Krieg gezeigt, dass Landwirtschaft und Ernährungssicherheit durch die Folgen des Klimawandels stark beeinflusst werden. Ein "Weiter so" kann es also nicht geben!

Wir wollen Afrika an der Seite stehen, um afrikanische Lösungen zu finden und in internationalen Prozessen gemeinsame Angebote zu machen.

Das Recht auf angemessene Nahrung zu erfüllen, die Agrar- und Ernährungssysteme zukunftsfest zu machen – das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Ich bin sicher, dass wir das Menschenrecht auf angemessene Nahrung erfüllen können, wenn wir zusammenarbeiten. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen.

Vielen Dank.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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