Deutschland ist ein Weinland

Rede von Bundesminister Cem Özdemir auf der Weinbörse des 50-Jährigen Jubiläums des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter e.V. am 28. April 2024 in Mainz

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede, 

"Der Wein ist ein Geschenk der Götter, sie haben den Wein dem Menschen aus Erbarmen gegeben." Wenn der griechische Philosoph Platon Recht hat – und wer möchte ihm widersprechen – dann haben es die Götter mit den deutschen Weinbaugebieten wirklich gut gemeint. Sage und schreibe 13 traditionelle Weinregionen gibt es in Deutschland. Sie sind vielfältig und einzigartig, genau wie die Menschen, die hier – oft seit Generationen – Weinbau betreiben. In den vergangenen Jahren sind mehrere neue geschützte Ursprungsbezeichnungen hinzugekommen, in ganz Deutschland. Und in Berlin-Kreuzberg wächst übrigens nicht nur Hanf, sondern auch Wein wird angebaut! Wenn auch keine "Großen Gewächse"…

Und bei aller Verschiedenheit gibt es etwas, das alle eint: Der Wunsch, die Tradition zu bewahren und den Fortschritt zu leben. Es ist der Anspruch, immer besser zu werden. Ein Anspruch, der dem Verband deutscher Prädikatsweingüter seit jeher Leitgedanke ist.  

Lieber Herr Christmann, um im Götterbild zu bleiben: Der VDP ist gewissermaßen der Olymp des deutschen Weinbaus. 200 Mitglieder hat Ihr Verband zurzeit. Fast alle sind heute hier. Alle erfüllen die strengen Voraussetzungen, die man als VDP-Weingut erfüllen muss: Sie verfügen über Top-Lagen, bewirtschaften ihre Weinberge umweltschonend, bauen gebietstypische Rebsorten an und reduzieren ihren Ertrag im Sinne der Qualität. Das macht sie zu Spitzenreitern des deutschen Weinbaus, die auch im internationalen Wettbewerb in der ersten Liga spielen.

Überhaupt hat sich der deutsche Wein auch in der Breite sehr positiv entwickelt und genießt weltweit hohes Ansehen. Sie glauben nicht, wo mir bei Auslandsreisen schon überall "German Riesling" angeboten wurde…

Der Adler auf dem Flaschenhals ist die Benchmark für Top-Weine. Er steht für höchste Qualitätsstandards, Bestlagen und Charakterböden. Der VDP verbindet dabei traditionelle Weinbaukunst mit innovativen Ansätzen. Das macht den deutschen Wein zukunftsfähig und sichert zugleich Vielfalt und Authentizität der deutschen Weinkultur. Nicht zuletzt hilft die Herkunftsprofilierung deutscher Weine, den Absatz und die Wertschätzung deutscher Qualitäts- und Prädikatsweine im In- und Ausland zu steigern. Absatz und Wertschätzung deutscher Premiumweine werden auch von der VDP.Weinbörse gefördert, die heute ihr 50. Jubiläum feiert. Interessanterweise trug auch der Gesetzgeber zur Entstehung bei: Das Verbot der Verwendung des Begriffs "Naturwein" besiegelte damals das Ende der Naturweinversteigerungen. Und den Pionieren der Weinbörse war schnell klar, dass etwas Neues, Zeitgemäßes an deren Stelle treten musste. Es ist wahrlich gelungen, herzlichen Glückwunsch!  

Als Fachmesse für deutsche Spitzenweine steht die VDPWeinbörse nicht nur für eine lebendige Weintradition. Sie steht auch für Innovation und Qualität, die den deutschen Weinbau weltweit auszeichnen. Und für Genussfreude, die ja auch nicht zu kurz kommen darf. Ich weiß, Genussfreude ist jetzt nicht das erste Attribut, das man uns Schwaben zuschreibt. Das ist natürlich Unsinn. Auch wir wissen einen guten Tropfen zu schätzen.

Lieber Herr Christmann, mit Ihnen durfte ich schon im vergangenen Jahr Wein vom Kaiserstuhl vor Ort verkosten. Aus den geplanten zwei Stunden wurden sieben. Und natürlich spielt Freude am Genuss dabei auch eine Rolle. Natürlich alles in Maßen. Schon Konfuzius wusste ja: Am Rausch ist nicht der Wein schuld, sondern der Trinker.  

In der Geschichte des VDP spiegelt sich auch die Erfolgsgeschichte des deutschen Weinbaus. Das Erfolgsrezept und damit die Zukunft der deutschen Weine liegt nämlich vor allem auch in ihrer kontinuierlichen Weiterentwicklung und Diversifizierung. Die Menschen legen zunehmend Wert auf Regionalität, auf Herkunftsprofile und ausdrucksstarke Weine. Deswegen ist der eingeschlagene Weg der Umsetzung einer Herkunftspyramide im neuen Deutschen Weinrecht auch absolut folgerichtig. Sie ist ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung und liefert Weintrinkerinnen und Weintrinkern wertvolle Informationen zu Qualität und Charakter des Weines. Für die deutschen Winzerinnen und Winzer ist es eine einzigartige Chance, ihre Regionen und Spitzenlagen in den Vordergrund zu stellen. Und damit eine unverwechselbare Identität zu schaffen.

Herkunftsprofilierung ist mehr als ein Marketinginstrument. Es ist ein Versprechen an die Qualität und Authentizität des Produkts. Sie spiegelt die lange Tradition und Vielfalt der deutschen Weinregionen wider. Und schützt und fördert charakteristische Eigenschaften und Besonderheiten der einzelnen Anbaugebiete. Das stärkt das Image des deutschen Weines auch im globalen Markt.  

Die Qualitätsphilosophie des VDP manifestiert sich in ganz besonderer Weise und weit über die nationalen Grenzen hinaus in den Weinen an der Spitze der Herkunftspyramide: den "Ersten und Großen Gewächsen". Der einzigartige Ruf dieser Weine ist zuallererst den herausragenden Leistungen und Anstrengungen der Mitglieder des VDP in den vergangenen gut 20 Jahren zu verdanken.

Als 2021 die Kriterien für die Verwendung dieser beiden namhaften Bezeichnungen im nationalen Weinrecht verankert wurden, sollte dies keinesfalls dazu führen, den zu schwächen. Ganz im Gegenteil: Damit sollen dessen Leistungen gewürdigt würdigen und eine Entwertung Ihrer Spitzenweine verhindert werden. Ich weiß, der VDP ist bis heute nicht ganz glücklich mit dem Ergebnis. Weil ein wichtiges, diese Weine und Lagen prägendes Element bisher – und ich betone: bisher – keinen Eingang in die Verordnung gefunden hat: die Lagenklassifizierung. Lassen Sie mich an dieser Stelle jedoch ausdrücklich betonen: Wir sind jederzeit offen und bereit, die Vorschriften weiter zu entwickeln. Österreich hat einen denkbaren Weg aufgezeigt. Lassen Sie uns im Gespräch bleiben und schauen, ob das auch für uns in Frage kommt.  

Deutschland ist ein Weinland – und das bedeutet auch, dass Weinbau seit Jahrhunderten die herrlichsten Kulturlandschaften formt. Die Menschen in Weinbaugebieten fühlen eine starke Verbundenheit mit ihrer Heimat. Wer einmal auf einem Weinfest war, weiß, wovon ich rede. Weinbau ist ein starker Wirtschaftsfaktor: Er sorgt in ländlichen Regionen für vielfältige Arbeitsplätze von der Produktion über die Kellermeister bis hin zur Vinothek und natürlich im Tourismus. Nicht zuletzt fördert Weinbau den Artenschutz: In den Weinbergen haben unzählige Tiere und Pflanzen ihr Zuhause. Das Julius-Kühn-Institut und das Senckenberg Institut haben herausgefunden, dass es gerade in Terrassen- und Steillagen eine besonders große Artenvielfalt gibt. Deswegen ist ein Weinberg immer beides: schützenswerte Natur und wertvolles Kulturgut. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, diesen einzigartigen Schatz zu bewahren und zu fördern.  

Die immer stärker spürbaren Folgen der Klimakrise stellen die wohl größte Herausforderung auch für den Weinbau dar. Es ist wichtig, sich auf die klimatischen Veränderungen einzustellen. Und gleichzeitig müssen wir gegensteuern. Wir müssen unsere natürlichen Lebensgrundlagen besser schützen. Es gibt sicher keine Patentlösung: Wo genug Wasser vorhanden, wird sicher die Tröpfchen-Bewässerung weiter Einzug halten.

Es führt auch kein Weg daran vorbei, den Anbau pilzfester Sorten zu forcieren, um Pflanzenschutzmittel einzusparen und den Maschineneinsatz im Weinberg zu reduzieren. Selbstverständlich werden pilzwiderstandsfähige Rebsorten, die PIWIs, niemals die klassischen Sorten ersetzen können. Sollen sie auch nicht. Aber bei weniger als 3 Prozent Flächenanteil ist noch Luft nach oben. Gerade für Terroir-Weine sind PIWIs ganz wunderbar geeignet. Denn sie können das Rebsortiment ergänzen, ohne das sich an der Herkunftsbezeichnung etwas ändert. Die romanischen Länder machen uns inzwischen vor, wie es gehen kann.

Und wer, wenn nicht der VDP, der sich bekanntermaßen das Burgund zum Vorbild genommen hat, wäre besser geeignet, auch auf diesem Gebiet Leuchtturmfunktion zu übernehmen. Sicherlich bedarf es dazu auch Rebsorten, die die entsprechenden Weinqualitäten hervorbringen. Doch davon gibt es heute schon einige – und es werden immer mehr! Auch dafür setzt sich die Bundesregierung ein. Mit dem Institut für Rebenzüchtung in Siebeldingen haben wir in Sachen pilzwiderstandsfähiger Rebsorten eine Vorzeigeeinrichtung.

Der deutsche Weinbau ist – ich komme zum Götterbild zurück – ein Mythos. Ein Mythos, der auf Tradition, Innovation und viel Leidenschaft basiert. Die VDP.Weinbörse gibt uns Einblicke in diese Vielfalt deutscher Spitzenweine. Sie ist ein Ort des Austauschs und der Begegnung für alle Weinbegeisterten. In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine genussvolle, erfolgreiche und inspirierende VDP.Weinbörse!

Vielen Dank.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Mainz


Das könnte Sie auch interessieren

Nach dem Hochwasser 2021- Hilfen für Land- und Forstwirtschaft (Thema:Ländliche Regionen)

Die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 in Teilen Deutschlands hat auch in der Landwirtschaft zu massiven Schäden geführt. Um die betroffenen Betriebe in dieser schwierigen Situation zu unterstützen, reagierte die Bundesregierung und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit einem Aufbau-Programm zur Bekämpfung der Katastrophe und Unterstützung der Länder.

Mehr

Weinbauförderung (Thema:Weinbau)

Durch verschiedene Fördermaßnahmen wird die Wettbewerbsfähigkeit der Wein produzierenden Betriebe in Deutschland verbessert.

Mehr

Auszeichnungen und Gütezeichen (Thema:Weinbau)

Entsprechend der Weinverordnung veröffentlicht das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu Beginn eines jeden Weinwirtschaftsjahres (01.08. bis 31.07. des folgenden Jahres) ein Verzeichnis der Auszeichnungen und Gütezeichen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft e. V. sowie der von den Landesregierungen anerkannten Auszeichnungen und Gütezeichen auf seiner Homepage.

Mehr