Mein Haushalt bleibt stabil, trotz der Sparvorgaben

Rede von Bundesminister Cem Özdemir vor dem Deutschen Bundestag am 5. Juli 2024

Anrede, 

ich will mich zunächst bei den Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen für das Ergebnis der intensiven Beratungen, die mein Haus gerne begleitet hat, herzlich bedanken. Jede Fraktion musste sich dabei bewegen, um gemeinsam zum Ziel zu kommen. Ich habe vor einigen Wochen hier in der Regierungsbefragung betont, dass Demokratie vor allem dann stark ist, wenn wir Probleme lösen und die verschiedenen, jeweils sehr berechtigten Interessen so gut wie möglich in den Ausgleich bringen. Genau das tun wir hier.

Nehmen Sie die mehrjährige steuerliche Gewinnglättung, eine zentrale Forderung unserer Landwirtinnen und Landwirte, um sich besser gegen Risiken abzusichern: Jetzt kommt sie, und sie gilt rückwirkend für 2023. Außerdem haben Landwirte zu Recht beklagt, dass sie in der Wertschöpfungskette häufig den Kürzeren ziehen. Jetzt stärken wir ihre Stellung im Markt noch weiter. Es kann doch nicht ernsthaft sein, dass ein Supermarkt den Bauern sagt: Ich bekomme deine Erdbeeren nicht verkauft, hol sie wieder ab! Und Geld kriegst du übrigens auch keines. – Mit solchen unlauteren Praktiken machen wir endlich Schluss, und das ist gut so. Wir schließen damit endlich eine offene Flanke beim Agrarorganisationen-und- Lieferketten-Gesetz. Ich will es hier auch gerne parteiübergreifend sagen: Danke, lieber geschätzter Ausschussvorsitzender Hermann Färber, dass es zumindest an der Stelle ein Lob gab. Das muss man auch mal sagen; das ist ja hier in der Debatte keine Selbstverständlichkeit.

Das Agrarpaket bekräftigt auch die Initiativen meines Hauses und die Maßnahmen in Sachen Bürokratieabbau und in Sachen Entlastungen. Vielleicht nur einige wenige Beispiele für diejenigen, die sich nicht immer mit Landwirtschaft beschäftigen: Verlorene Ohrmarken bei Mutterkühen, Schafen und Ziegen werden jetzt nicht mehr drastisch sanktioniert. Da kann man sich schon mal fragen, warum man auf diese Regelung nicht schon früher gekommen ist. Das will ich nur mal andeuten. Oder denken Sie an den – ich sage es wirklich so, wie es ist – Irrsinn, dass der Nachweis für den aktiven Betriebsinhaber jedes Jahr erneuert werden musste. Warum eigentlich? Wir hören auf mit diesem Blödsinn. Auch das hätten wir gerne schon früher machen können. Und auch das gerne parteiübergreifend: Den Hinweis vom Kollegen Färber, dass wir den Kontrollaufwand in den Blick nehmen müssen, halte ich für einen guten Vorschlag. Das sollten wir weiterverfolgen.

Was die Konditionalität im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) angeht, gibt es umfangreiche Entlastungen und Vereinfachungen für die Betriebe. Was passiert mit den Kontrollen und Sanktionen bei Betrieben bis zu zehn Hektar landwirtschaftlicher Fläche? Sie werden vollständig abgeschafft. Das bedeutet: Für mehr als ein Drittel aller Betriebe der Bundesrepublik Deutschland entfallen die Kontrollen der Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen (GLÖZ). Das kann man auch mal anerkennen. Auch das hätten wir gerne schon früher machen können. Wir machen das jetzt.

Ich höre immer aufmerksam zu, wenn die Opposition redet. Sie haben gesagt, das Aussetzen der vier Prozent Flächenstilllegung, also GLÖZ 8, hätte ich jetzt nur gemacht, weil es Brüssel quasi ermöglicht hat. Letztes Jahr habe ich es aber auch schon gemacht, und da hätte ich es nicht machen müssen. Daran sehen Sie doch, dass ich den Ergebnissen der Gemeinsamen Agrarpolitik, wie wir sie in der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) verabredet haben, verpflichtet bin. Ich gehe nämlich weg von verbindlichen Regelungen hin in Richtung Angebote, sodass sich Artenschutz rechnet.

Auch da komme ich nicht mit leeren Händen. Sie wissen, wir müssen das Thema Wettbewerbsfähigkeit und den Schutz von Artenvielfalt zusammenbringen und nicht länger als Gegensatz betrachten. Darum auch hier eine gute Nachricht: Wir werden das Budget für die Ökoregelungen erhöhen, und zwar ohne Abstriche bei der Einkommensgrundstützung. Und weil selbst Fachpolitiker nicht immer auf der Höhe der Zeit sind: Ökoregelungen gelten übrigens für alle Betriebe, ganz gleich, ob konventionell oder Bio. Das muss man vielleicht kurz erklären: Wer freiwillig mehr für Umwelt und für Artenschutz leistet, merkt das künftig auf seinem Konto. Eine gute Regelung, das hilft der Ökonomie und der Ökologie, und so muss doch gute Politik sein.

Durch diese zwei neuen Ökoregelungen profitieren gerade die Milchviehbetriebe, bislang die großen Verlierer der GAP. Wir fördern den Schutz der Artenvielfalt, gerade weil Artenvielfaltsflächen durch GLÖZ 8 künftig entfallen. Damit gestalten wir schon jetzt den Weg, den uns die ZKL für eine zukunftsfähige GAP aufgezeichnet hat. Bestehende Ökoregelungen haben wir übrigens spürbar entbürokratisiert, damit die Prämien einfacher gestaltet werden. Ich sage es auch ganz offen: Darauf sind die Landwirte gekommen. Ich habe, wie Sie wissen, ein Dialognetzwerk, und da lasse ich mich regelmäßig beraten. Ich nutze hier gerne die Gelegenheit, Danke zu sagen an die Landwirte, die in meinem Dialognetzwerk sind. Die haben das vorgeschlagen, die haben gesagt: Özdemir, das, was Sie da gemacht haben, ist gut; aber das hat so nicht funktioniert, das muss angepasst werden. – Und auch da komme ich mit einem Ergebnis. Das Ergebnis ist, dass die Ökoregelungen deutlich stärker nachgefragt werden als im Vorjahr. Das zeigt auch da: Wirtschaftliche Planungssicherheit und Umweltschutz können sehr gut Hand in Hand gehen, wenn man sich der Politik guter Kompromisse verpflichtet fühlt.

Mit Blick auf die Uhr komme ich zum Schluss. Geschätzter Kollege Stegemann, Sie haben auf die Demonstrationen hingewiesen. Sie haben sicherlich mitbekommen: Ich war auf diesen Demonstrationen. Ich war bei vielen dieser Demonstrationen, und ich habe mich dem gestellt. Ich habe zugehört – das gehört sich so in der Demokratie –, und ich habe dann auch geantwortet. Ich habe da ein paar Sachen versprochen, und das, was ich heute erzähle, ist die Umsetzung dieser Versprechen.

Ich komme hier also nicht mit leeren Händen, geschätzter Kollege. So viel Fairness darf, glaube ich, sein. Sie kommen aus dem schönen Niedersachsen. Ihr Bundesland beispielsweise ist mit Schleswig-Holstein einer der Profiteure dessen, was wir für die Milchbauern machen. Die waren die großen Verlierer – ich habe es doch vorhin gesagt – bei dem, was die alte Bundesregierung bei der GAP auf den Weg gebracht hat.

Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie kritisieren mich und uns weiterhin. Aber ich fasse mal zusammen, was die Union sagt. Die Unionsposition läuft doch immer darauf hinaus: Diese Bundesregierung, in dem Fall der Landwirtschaftsminister, ist nicht schnell genug im Abräumen dessen, was Sie über viele Jahre in der Politik gemacht haben. – Das ist doch Ihre Position, oder? Das ist doch das, was Sie mir sagen, Herr Stegemann. Ich fasse mal zusammen: Sie sagen: Özdemir, du musst schneller sein, du musst energischer sein im Abräumen dessen, was wir 16 Jahre gemacht haben.

Okay, ich akzeptiere das. Sie haben auch recht, man müsste mehr machen. Das ist halt nicht so einfach. Wir haben eine Koalition, wir haben die Bundesländer, wir haben Brüssel. Jetzt mache ich Ihnen ein Angebot: Kritisieren Sie mich weiter, aber helfen Sie gleichzeitig mit, dass wir das, was Sie als Ziel formulieren, gemeinsam hinkriegen! Ich wiederhole mich: nicht mit 51 Prozent gegen 49 Prozent! Lassen Sie uns so denken, wie deutsche Landwirte denken: Sie denken in Generationen; sie denken nicht in Vierjahreszyklen oder Fünfjahreszyklen. Das kann die Bundesregierung nicht alleine machen. Wir haben es heute beim Düngegesetz gesehen. Ich habe übrigens das Angebot gemacht, dass die Stoffstrombilanz wegkann. Das ist ein massiver Entbürokratisierungsvorschlag. Ihre Länder haben leider verhindert, dass wir Entbürokratisierung bekommen. Warum? Weil Sie Parteipolitik wichtiger nehmen als die Interessen des Landes. Mein Angebot: Helfen Sie uns, gemeinsam für das Wohl der deutschen Landwirte!

Zum Schluss. Diese Bundesregierung hat sich heute auf einen Haushalt geeinigt. Das will ich hier nochmals sagen: Mein Haushalt bleibt stabil, trotz der Sparvorgaben. Es geht weiterhin unverändert Geld in die Weiterentwicklung der Tierhaltung, keine Abstriche bei der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz – das ist angesichts dieser Haushaltslage ein Riesenerfolg –, keine Kürzungen bei der Agrarsozialpolitik. Ländliche Räume und Landwirtschaft haben weiterhin eine hohe Bedeutung für diese Regierung.

Danke an die Koalitionsfraktionen, danke auch an das Finanzministerium!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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